Berufsverbotsbetroffene warnen vor neuem Radikalenerlass
Siehe auch: https://www.rf-news.de/2021/kw48/das-antikommunistische-feindbild-vom-verfassungsfeind
Presse-Erklärung
Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote
und für die Verteidigung der demokratischen Grundrechte
Klaus Lipps (Sprecher)
Berufsverbotsbetroffene warnen vor neuem Radikalenerlass –
Ampelkoalition kündigt „Entfernung von Verfassungsfeinden aus dem Öffentlichen Dienst“ an.
Wir, Betroffene der Berufsverbotspolitik in der Folge des Radikalenerlasses von 1972, haben mit Entsetzen zur
Kenntnis genommen, dass im Koalitionsvertrag der neuen Ampelkoalition Passagen enthalten sind, die eine
Wiederbelebung eben dieser Berufsverbotepolitik befürchten lassen.
So heißt es gleich zu Beginn des Koalitionspapiers wörtlich: „Um die Integrität des Öffentlichen Dienstes
sicherzustellen, werden wir dafür sorgen, dass Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem Dienst entfernt
werden können.“ ( „Verwaltungsmodernisierung“)
Und später wird unter der Rubrik ‚Innere Sicherheit‘ präzisiert: „Die in anderen Bereichen bewährte
Sicherheitsüberprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern weiten wir aus und stärken so die Resilienz der
Sicherheitsbehörden gegen demokratiefeindliche Einflüsse.“ ( „Bundespolizeien“)
Es wird ehrlicherweise nicht einmal der Versuch unternommen, diese Maßnahme mit den tatsächlich
bedrohlichen rechten Unterwanderungsversuchen von Polizei und Bundeswehr zu begründen. Stattdessen
werden in plumpster extremismustheoretischer Manier „Rechtsextremismus, Islamismus,
Verschwörungsideologien und Linksextremismus“
( „Kampf gegen Extremismus“) gleichgesetzt.
Den Nachrichtendiensten – damit auch dem sogenannten „Verfassungsschutz“ spricht die neue Regierung allen
rechten Skandalen zum Trotz ihr vollstes Vertrauen aus.
Aus eigener bitterer Erfahrung wissen wir, dass eine solche Politik allein den Rechten in die Hände spielt.
Im Januar 2022 jährt sich der unter Bundeskanzler Willy Brandt verabschiedete Radikalenerlass. Er hat nicht nur
Tausende von Linken diffamiert, ausgegrenzt und ihre Lebensperspektiven zerstört, sondern vor allem die gerade
erst im Wachsen begriffene demokratische Kultur dieses Landes schwer beschädigt. Rechte blieben von der
damaligen Hexenjagd so gut wie vollständig verschont.
Wir sind fassungslos und schockiert, dass die neue Bundesregierung nicht nur weiter die Augen vor diesem
jahrzehntelangen staatlichen Unrecht verschließt, sondern sich anschickt, dieselben Fehler zu wiederholen.
Wie damals wird der rechtlich völlig unbestimmte Begriff „Verfassungsfeind“ verwendet. Ausgerechnet der tief in
die rechte Szene verstrickte Inlandsgeheimdienst soll vorschlagen dürfen, wer als „Verfassungsfeind“ angesehen
und entsprechend behandelt werden soll. Dies kommt einem Suizid der Demokratie und des Rechtsstaates gleich.
Anlässlich des 50. Jahrestages des Radikalenerlasses fordern wir nicht nur die Rehabilitierung und Entschädigung
der Betroffenen, wir wenden uns auch entschieden dagegen, erneut die Prüfung politischer Gesinnungen anstatt
konkreter Handlungen zur Einstellungsvoraussetzung im Öffentlichen Dienst zu machen. Grundgesetz und
Strafrecht würden schon heute vollkommen ausreichen, rechte Netzwerke in Polizei, Militär und Justiz zu
bekämpfen. Bedauerlicherweise wird davon nur sehr selten Gebrauch gemacht. Der Kampf gegen rechte
Demokratiefeinde bleibt in erster Linie eine gesellschaftliche Aufgabe.
Klaus Lipps (Sprecher)
26.11.2021