1950-1960er Jahre – Antikommunismus heute

Der hysterische Antikommunismus der 1950er und 1960er Jahre der BRD führte zum Abbau demokratischer Rechte und zu einer Unrechtsjustitz. Ein dunkeles Kapitel deutscher Justiz, das bis heute leider viel zu wenig aufgearbeitet worden ist.

Auch heute treibt Antikommunismus noch seltsame Blüten, wie Diskussionen um die Benennung von Straßen nach Käthe Larsch oder Hans Marchwitza gezeigt hatten.

BRD im Kalten Krieg

Jupp Angenfort war ein junger Abgeordneter der KPD im Landtag NRW, als er von der Polizei, trotz bestehender Immunität, auf offener Straße entführt und verhaftet wurde.

Heute heisst der Fraktionsaal der LINKEN in NRW nach Jupp Angenfort.

„Und wir werden nicht Ruhe geben, bis es auch ganz offiziell aus dem NRW-Landtag heißt: „Jung, wir haben dir Unrecht getan. Entschuldige…“, sagte Bärbel Beuermann (MdL – LINKEN NRW) auf einer Trauerfeier für Jupp Angenfort in Düsseldorf in Anspielung auf eine seiner Aussagen in der WDR-Dokumentation „Als der Staat rot sah – Justizopfer des Kalten Krieges“ (siehe weiter unten das Youtube-Video in 5 Teilen).

Aus Bärbel Beuermanns Trauerrede
( sie ist hier in Gänze nachzulesen: nrw.vvn-bda.de/texte/0626_jupp.htm )

Sie haben ihm Unrecht getan.
Sie haben ihn – trotz seiner Immunität, die er als Landtagsabgeordneter besaß – auf offener Straße festgenommen – so, dass es auf die Passanten wie das wirkte, was es wirklich war: eine kriminelle Entführung. Sie haben ihm damit Unrecht getan. Sie haben ihn wegen Hochverrats angeklagt und vom Bundesgerichtshof wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens, wegen Geheimbündelei und Zugehörigkeit als Rädelsführer zu einer verfassungsfeindlichen Vereinigung zu einer fünfjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Sie haben ihm damit Unrecht getan. Unrecht, für das es nie eine Entschuldigung gab, von einer Rehabilitation ganz zu schweigen.

Mehr: nrw.vvn-bda.de/texte/0626_jupp.htm

Angenfort, 1951 der jüngste Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag, war 1954 trotz seiner Immunität, die er als Landtagsabgeordneter besaß, wegen Hochverrats angeklagt und zu einer Zuchthausstraße von 5 Jahren und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt worden. Er starb im Alter von 86 Jahren in seiner Geburtsstadt in Düsseldorf.

Aus http://www.gavagai.de/rs/HHD12J.htm

Im Jahre 1950 Jupp Angenfort aus Düsseldorf. der jüngste Landtagsabgeordnete in Nordrheinwestfahlen. Trotz Immunität wird er drei Jahre später verhaftet und zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Grund: politische Aktivitäten als Kommunist. Ihm wurde vor allem „Agitation gegen die ‚Remilitarisierung’“ und „Werbung für die Wiedervereinigung Deutschlands“ (!) vorgeworfen.

Jupp Angenfort ist einer der Protagonisten in Hermann G. Abmayrs Fernsehdokumentation „Als der Staat rot sah…“. Er berichtet über sein Leben hinter Gittern und auf der Flucht. Er hatte wegen seiner Meinung und seines politischen Standpunkts eine hohe Strafe bekommen. Insgesamt wurden zwischen 1950 und 1968 mehrere tausend Männer und Frauen wegen politischer Aktivitäten verurteilt.
In Deutschland waren es nicht selten ehemalige Nazi-Juristen, die Urteile sprachen gegen politisch anders Denkende und unbequeme Bürger. Oft waren die Beschuldigten Männer und Frauen, die wegen ihrer Gesinnung schon unter Hitler im Gefängnis oder im KZ saßen. Manchmal standen sie in der BRD denselben Richtern gegenüber, die schon unter Adolf Hitler gegen sie „Recht“ sprachen.

Einen tragischen Höhepunkt im Umgang mit der politischen Opposition gab es 1952. Bei einer Friedensdemonstration in Essen haben Polizisten den jungen Philipp Müller von hinten erschossen. Ralph Giordano wurde Zeuge und berichtet in der Dokumentation. Die Demonstranten hatten sich gegen die Politik der Wiederaufrüstung unter Kanzler Konrad Adenauer, CDU, gewandt. Der war noch bis zu seinem Tode besessen von der Idee, dass die Sowjetunion Deutschland überfallen werde, berichtet Diether Posser, Verteidiger von Opfern der politischen Justiz und später stellvertretender Ministerpräsident in NRW.

In der Nacht zum 13.März 2010 verstarb der 86jährige Kommunist Jupp Angenfort.

Als der Staat rot sah – Justizopfer im Kalten Krieg Teil 1

Als der Staat rot sah – Justizopfer im Kalten Krieg Teil 2

Als der Staat rot sah – Justizopfer im Kalten Krieg Teil 3

Als der Staat rot sah – Justizopfer im Kalten Krieg Teil 4

Als der Staat rot sah – Justizopfer im Kalten Krieg Teil 5

http://de.wikipedia.org/wiki/KPD-Verbot

Nachdem eine Straßenbenennung nach Hans Marchwitza zu viel politischem Streit geführt hatte, wurde Käthe Larsch vorgeschlagen.  Von Käthe Larsch gibt es bereits eine Gedenktafel im Essener Norden.

Inschrift der Tafel::

Gedenktafel für Käthe Larsch

Gedenktafel für Käthe Larsch

In ihrer Wohnung in der Seumannstraße 114 wurde am 18. Mai 1935 Käthe Larsch, 33 Jahre alt, Frau eines Arbeiters und Mutter von 4 Kindern, von der Gestapo verhaftet. Käthe Larsch hatte Flugblätter für die Widerstandsarbeit der KPD hergestellt und verbreitet. In der Gestapo-Haft wurde sie so gefoltert, daß sie wahnsinnig wurde. 11 Tage nach ihrer Verhaftung starb sie in der Heilanstalt Grafenberg.“

Direkt hinter der alten Eisenbahnunterführung wurde von der Stadt Essen diese Gedenktafel aufgestellt. Heute stehen dort keine Häuser mehr, auch die Straßenführung ist anders. Käthe Larsch und ihr Mann Rudolf gehörten der illegalen KPD an. Er wurde im November 1933 verhaftet und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Frau blieb mit ihren vier kleinen Kindern zurück. Am 18. Mai 1935 wurde auch sie von der Gestapo abgeholt, die Kinder wurden „von Amts wegen“ ins Waisenhaus gebracht. Nach pausenlosen Verhören im Untersuchungsgefängnis starb sie am 29. Mai 1935 an den Folgen dieser „Behandlung“ in der psychiatrischen Klinik der Städtischen Krankenanstalten Essen.

Aber Frank Stenglein mag auch diese Frau nicht. In einem Kommentar schrieb er:

Zum zweiten Mal wird der Versuch unternommen, eine Person per Straßenschild zu ehren, die bei allen Verdiensten im NS-Widerstand Parteigänger der stalinistischen KPD war.

Frank Stenglein bezeichnet den Stoppenberger Bergarbeiterdichter Hans Marchwitza als „Stalinisten“. Es geht nicht nur um Hans Marchwitza sondern auch um die verhinderte Benennung einer Straße nach ihm.

Dazu ein Leserbrief zu dem Artikel und Kommentar in der WAZ/NRZ Lokalausgabe Essen vom 5.4.2011
von Walter Wandtke: Eine Straße für Hans Marchwitza

und von Heinz-W. Hammer:
Leserbrief an die WAZ/ oder

Mit unsauber recherchiertem WAZ-Artikel eine Straßen-Umbenennung verhindert:
Wer hat Angst vor Hans Marchwitza?
Von Heinz-W. Hammer

Das Überparteiliche Essener Wahlbündnis für Alternative Unabhängige Fortschrittliche Kommunalpolitik (AUF) äusserte sich ebenfalls in einer Pressemitteilung dazu. Marchwitza-Straße – fragwürdige Vorwürfe

Auf der Website des Kreisverbandes von B90/DIE GRÜNEN befindet sich ein sehr lesenswerter Artikel von Walter Wandtke:
Straßenkampf um Hans Marchwitza:
Keine Ehrung möglich für einen linken Bergarbeiterdichter?

Die VVN-BdA Kreisvereinigung Essen meint in ihrer Pressemitteilung:
Hans Marchwitza hat mit seinen Romanen „Sturm auf Essen“, Die Kumiaks“, „Die Heimkehr der Kumiaks“ und vielen anderen den Bergarbeitern in Essen ein würdiges literarisches Denkmal gesetzt.

5 Kommentare

  • Hans Marchwitza hat mit seinen Romanen „Sturm auf Essen“, Die Kumiaks“, „Die Heimkehr der Kumiaks“ und vielen anderen den Bergarbeitern in Essen ein würdiges literarisches Denkmal gesetzt. Er hat selbst als Bergarbeiter gearbeitet und kannte sich in ihrem Umfeld bestens aus. Er kannte ihre Nöte und ihren Kampf. Sein schriftstellerischer Beitrag ist für die Geschichte Essens und der Ruhr unverzichtbar. Die Benennung einer Straße mit seinem Namen entspräche voll und ganz seinen Verdiensten.
    Als aktiver Teilnehmer am Kampf gegen den vorfaschistischen Kapp-Putsch hat er seinen Beitrag für die Wiedereinsetzung der zuvor geflohenen Reichsregierung geleistet. Die Verdienste um die Erhaltung der Demokratie in der Weimarer Republik will man ihm streitig machen. Ich kann das nur so verstehen, dass in der Stadt Essen, in der der verurteilte Kriegsverbrecher Krupp als Wohltäter gefeiert wird und der Judenfeind Achenbach Karriere machen durfte, Antifaschisten keinen Platz haben.

  • admin

    Der Vollständigkeit halber: Eine Pressemitteilung der Essener Linksfraktion, die inhaltlich nichts zu Hans Marchwitza aussagt aber von Verfahrensfragen in einem Ausschuss handelt:
    http://www.linksfraktion-essen.de/nc/tagespresse/veroeffentlichungen/detail/zurueck/aktuell-144271d974/artikel/diskussion-verweigert/

  • Sehr geehrter Herr Stenglein,

    als ich Ihren Kommentar mit der ablehnenden Haltung zur Straßenbenennung las, fühlte ich mich in die schreckliche Zeit des Kalten Krieges zurückversetzt, einer Zeit, in der die KPD verboten wurde, die NPD entstand, viele Nazi-Funktionäre Karriere machten und 100000 Remilitarisierungsgegner verfolgt wurden.
    Vermutlich hätte auch Käthe Larsch, hätte sie überlebt, zu den Opfern gezählt. Denn vor den noch amtierenden Nazi-Richtern galt auch der Widerstand gegen das Naziregime als belastend.
    Meine Mutter, die ebenfalls in der Nazizeit Widerstand leistete, erzählte mir von dem Schicksal der tapferen Frau. Der Historiker Ernst Schmidt berichtete in dem im Röderbergverlag erschienenen Buch „Lichter in der Finsternis“ ausführlich über „Der grausame Mord an Käthe Larsch und das Schicksal ihrer Kinder“. Danach wurde sie durch Folterung in den Irrsinn getrieben, an deren Folgen sie starb. Die Kinder kamen in ein Waisenhaus. Ob sie sich zu Stalin bekannte ist mir nicht und auch Ihnen nicht bekannt. Nicht einmal die Gestapo interessierte sich dafür, sonst wäre es im Verhör-Protokoll niedergelegt worden. Mit der Unterstellung will man nachträglich den kommunistischen Widerstand der Frau gegen die faschistische Diktatur und damit für die Demokratie beschmutzen.
    Der Widerstand gegen den Faschismus ist ein Verdienst am deutschen Volk und wird weltweit geachtet. Wenn überhaupt jemand in der Zeit der brutalen Unterdrückung und andererseits des Opportunismus das Ansehen des deutschen Volkes hochhielt, dann waren es die Widerstandskämpfer.
    Als Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten begrüße ich daher die Initiative Walter Wandtkes zur Straßenbenennung nach Käthe Larsch.

    Mit freundlichen Grüßen
    Walter Hilbig

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