Nach Recht und Gesetz – und sonst gar nichts…

Herr Stenglein überschrieb am 13.12.2011 in der WAZ-Essen seinen Kommentar zur Kritik an der Polizei mit dem Motto:
„nach Recht und Gesetz – und sonst gar nichts „

Das erinnert an eine ähnliche Auseinandersetzung in den Niederlanden vor einigen Jahren.

„Gesetz ist Gesetz, Regeln sind Regeln”

2006 wurde eine Ministerin, – Rita Verdonk -, berühmt durch ihre Aussage: “Gesetz ist Gesetz, Regeln sind Regeln”. Am Ende ist Rita Verdonk darüber gestolpert. Denn später sagte Dorien Pessers, Hochschullehrerin für Rechtstheorie in einer Livesendung im Fernsehn, dass für eine Gefängniswärterin tatsächlich gelten müsse: „Gesetz ist Gesetz, Regeln sind Regeln“, aber eine Ministerin bei der Anwendung der Gesetze Ermessensspielräume haben müsse.

Es ging um die Abschiebung der Parlamentskollegin Ayaan Ali Hirsi, und die Aberkennung der niederländischen Staatsbürgerschaft, weil Ayaan Ali Hirsi bei ihrem Asylverfahren über ihre Herkunft die Unwahrheit gesagt habe. Das lag schon lange zurück, und Ayaan war inzwischen anerkanntes Mitglied der niederländischen Gesellschaft, sogar eine Politikerin in niederländischen Parlament geworden.

Doch Rita Verdonk erklärte die Ausbürgerung Ayaan’s unter dem Motto „regels zijn regels – Regeln sind Regeln“ zu ihrer Chefsache.

Darüber gab es dann in den Niederlanden eine scharfe öffentliche Debatte:

Regeln sind Regeln: Rechtspositivismus

Regeln sind Regeln

Im Jahr 2006 war das in den Niederlanden ein großes Thema, nachdem Rita Verdonk (zu dieser Zeit noch Integrationsministerin ) Ayaan Ali Hirsi die Staatsbürgerschaft entziehen wollte, nach dem Motto: “Regels zijn Regels”, Regeln sind Regeln. Am 21.Mai 2006 wurde im Fernsehen in einer Livesendung eine Juristin eingeladen, Dorien Pessers, Hochschullehrerin für Rechtstheorie. Die Erwartung war, dass Dorien Pessers eine trockene juristische Beurteilung von Rita Verdonks Politik abgibt, aber Dorien Pessers sprach 20 Minuten aus ihrem Herzen, und las der Rita Verdonk die Leviten.

Die Aussage “Gesetz ist Gesetz, Regel ist Regel” sei in der Rechtswissenschaft als ein Ausdruck des Gesetzpositivismus bekannt. 1933 habe Hitler deutschen Juristen die Befugnis abgesprochen kritische Postionen zu Gesetzen einzunehmen. Gesetz und Moral waren ab diesem Moment an eins, – das heißt: Das Gesetz hatte die Moral gepachtet. Die Moral von Hitler. Eine Sklavenmoral. Nach dem zweiten Weltkrieg, als jeder sah, was in Nazi-Deutschland geschehen war, wurde vom Gesetzpositivismus Abstand genommen, und das sogenannte Naturrecht eingeführt. Das heißt, dass das Recht nur begriffen und angewendet werden konnte vor dem Hintergrund allgemeiner Rechtsgrundsätze: Die Rechtsanwendung müsse immer geschehen unter Beachtung von Angemessenheit, Gerechtigkeit, Sorgfältigkeit usw…, d.h. der Richter hat Ermessenspielräume um das zu berücksichtigen. Nichts mehr mit dem Kadavergehorsam: Gesetz ist Gesetz, Befehl ist Befehl.

“Nooit meer met die kadaverdiscipline van: Wet is Wet, Befehl ist Befehl.”

Mit diesem Satz war die Fernsehsendung zu Ende, und die Debatte in den Niederlanden eröffnet.

Mittlerweile ist der Text der Livesendung als Buch herausgekommen, und die Regierung über Rita Verdonk gestürzt, denn der Koalitionspartner D66 wollte nicht mehr in der Koalition bleiben, falls Rita Verdonk Ministerin bleibt.

Regels zijn Regels, Paul Witteman in gesprek met Dorien Pessers over de daadkracht van Rita Verdonk.
ISBN 90-5018-810-9

Jetzt haben wir eine neue Debatte über ein ähnliches Thema in Deutschland in der Stadt Essen:

Frank Stenglein
schrieb in einem Kommentar
in der WAZ-Essen am 13.12.2011:

Nach Recht und Gesetz – und sonst gar nichts

Es ist misslich wie die Essener Linke gerade ein rechtsstaatlich völlig normales Verfahren politisiert. Und es ist unanständig und geradezu absurd, wie versucht wird, die Polizei in die rechte Ecke zu schieben

Der Rechtsstaat ist für alle gleich. Im Eifer des politischen Gefechts ist das eine manchmal bittere Erkenntnis, die aber aus gutem Grund elementar ist für unser Staatswesen. Dass Nazis den Rechtsstaat zynisch ausnutzen, um ihr trübes Sübchen zu kochen, ist schwer erträglich. Es kann aber nicht bedeuten, diesen Rechtsstaat wissentlich auszuhebeln. Genau das verlangenen die Linken von der Polizei- und sie garnieren dies mit Unterstellungen aus der untersten Schublade.

Die Polizei hat nachvollziehbar klar gemacht, dass sie die Nazi-Demo rechtlich nicht verbieten konnte. Sie ermittelt ferner wegen einer Gegen-Demo, die vielleicht bewusst zu spät angemeldet wurde. Soll sie das unterlassen mit dem Hinweis, die Gegendemonstranten seien schließlich „die Guten“?

Wer eine Polizei will, die nicht mehr unabhängig ohne Ansehen der Person ermittelt, sondern nach politischen Erwägungen, soll das offen sagen. Er würde sich damit allerdings frontal gegen Geist und Buchstabe des Grundgesetzes stellen.

Jetzt ist die Debatte frei:

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