Dietrich Keil, Essen steht AUF, Ratssitzung 12.7.2011: Wider die heiligen Gesetze der kapitalistischen Wirtschaftsordnung…
Dietrich Keil, Essen steht AUF, Ratssitzung 12.7.2011, zu TOP 7
Gemeinsamer Antrag von SPD/CDU/Grüne/FDP/EBB: Essen soll am Entschuldungsfond des Landes teilhaben
Wenn der OB vorhin von „Vermeidung der Überschuldung“ gesprochen hat, frage ich mich, auf welchem Dampfer bin ich hier?
Ist Essen etwa nicht überschuldet?
Das ist mit Schulden von 3,1 Milliarden ja wohl der Fall!
Daran ändert sich auch nichts, wenn rechnerisch noch einige abschmelzende Millionen Eigenkapital erhalten bleiben. Das ist unerheblich bei der Summe.
Daran ändert sich auch nichts, wenn der Haushalt einmal ausgeglichen sein sollte, damit hat sich die Schuldenlast noch um keinen Cent verringert.
Deshalb lehne ich den Punkt 1 der Resolution insbesondere ab, weil der „strikte Sparkurs“ ein Streichungskurs auf Kosten der Menschen ist mit dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts in 2015, der gleichwohl eine Fata Morgana ist so wie der ganze Show-Antrag der Vierergruppe bei der letzten Sitzung.
Natürlich ist und bleibt es richtig, vom Land und v.a. dem Bund zu fordern, sich dafür einzusetzen, die skandalöse und inzwischen schon strukturelle Unterfinanzierung der Städte zu beenden, vor allem bei den Soziallasten. Dazu gehören auch höhere Finanzausgleiche.
Wenn der Bund z.B. jetzt seinen Anteil an der Grundsicherung erhöht, ist das aber keine gnädige Geste gegenüber den Kommunen, sondern längst überfällige Korrektur.
Das hat mit einer zusätzlichen Entschuldung nichts zu tun, sondern ist eine bitter nötige Verschiebung der Verwendung von Steuermitteln zugunsten der Städte.
Wenn aber ein zusätzlicher Entschuldungsfond aufgelegt wird, heißt das, dass neue zusätzliche Steuergelder zur Schuldentilgung eingesetzt werden. Wobei es bei den vorgesehenen Beträgen um die 400 Millionen für alle NRW-Kommunen bei der Super- Verschuldung Essens nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein wäre.
Gut, man ist nicht wählerisch.
Aber aus meiner Sicht ist ein solcher Fond kritisch zu sehen und ich halte ihn für falsch, weil er auf Kosten der Steuerzahler geht, wenn auch weniger direkt in Essen, so doch der ganzen Gesellschaft.
Dazu kommt: Das ist wie beim Rettungsschirm für Griechenland. Das ist kein Fond für die Griechen, sondern für die Banken.
In unserem Fall nicht anders – kein Fond für die Städte, sondern für ihre Gläubigerbanken.
Das ist übrigens keine marxistische Analyse, das hört man immer häufiger von Ökonomen z.B. in Talkshows, mit der Folgerung, dass diese Rettungsschirme die Probleme Griechenlands nicht lösen können.
Deshalb bleibe ich wie schon bei der Haushaltsberatung dabei:
Eine Entschuldung der Stadt muss mit Zins- und Schuldenniederschlagung auf Kosten der Banken verbunden sein, anders ist der strukturellen Finanzkrise der Stadt nicht beizukommen.
Auch wenn damit die heiligen Gesetze der kapitalistischen Wirtschaftsordnung verletzt werden.
Und deshalb ist für mich die Forderung, Essen möge am Entschuldungsfond beteiligt werden, der falsche Weg, noch dazu auf Kosten der Steuerzahler, und ich kann den Resolutionsvorschlag nicht mittragen.
Antrag Nr.
1199/2011/SPD/CDU/GRÜNE/FDP/EBB
Gemeinsamer Antrag
der Fraktionen von
SPD/CDU/GRÜNE/FDP/EBB
im Rat der Stadt Essen
Herrn
Oberbürgermeister
Reinhard Paß
Rathaus
Beratungsfolge Sitzungstermin Zuständigkeiten
Rat der Stadt Essen
12.07.2011
Entscheidung
TOP 7 Essen muss am Entschuldungsfonds des Landes teilhaben
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, 12.07.2011
die Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN, FDP, und EBB beantragen, der Rat möge folgende Resolution beschließen:
1. Der Rat der Stadt Essen bekennt sich zu einem strikten Haushaltskonsolidierungskurs und dem Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes bis zum Jahr 2015.
Allerdings kann dies nur gelingen, wenn auch Bund und Land unter Beachtung des Konnexitätsprinzips im Rahmen ihrer Verantwortung die notwendigen Entlastungen vornehmen.
2. Der Rat der Stadt Essen erkennt an, dass die neue Landesregierung trotz sehr angespannter Haushaltslage des Landes mit der für 2010 beschlossenen Aufstockung des kommunalen Finanzausgleichs um rund 300 Mio. Euro sowie um weitere 323 Mio. Euro im Jahr 2011 einen ersten Beitrag zu einer dauerhaften strukturellen Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung leisten will.
3. Der Rat der Stadt Essen begrüßt grundsätzlich die Einrichtung eines Entschuldungsfonds seitens der Landesregierung, für den im Landeshaushalt im Jahr 2011 350 Millionen Euro an zusätzlichen Entschuldungshilfen für die Kommunen vorgesehen sind. Nach den bislang vorliegenden Informationen sollen von diesem Fonds jedoch zunächst nur Kommunen profitieren, die im Jahr 2010 überschuldet waren oder deren Überschuldung bis zum Jahr 2013 droht. Essen hat nur durch umfassende Konsolidierungsanstrengungen mit dem Doppelhaushalt 2010/11 die anderenfalls drohende Überschuldung in 2013 abwenden können.
Die mit schmerzhaften Einschnitten verbundenen Anstrengungen und der weitere Weg der Stadt Essen zur Haushaltskonsolidierung werden ohne eine Beteiligung am Entschuldungsfonds erheblich erschwert. Zudem kann eine Altschuldenhilfe, die dieser Bezeichnung gerecht werden will, nicht an der mit über 2,1 Mrd. Euro Liquiditätskrediten am höchsten verschuldeten Stadt in Deutschland vorbeigehen.
4. Der Rat der Stadt Essen fordert die Landesregierung und insbesondere den Landtag als Gesetzgeber auf, die zur Ausgestaltung des Entschuldungsfonds und seine Kriterien so vorzunehmen, dass auch andere stark von Überschuldung bedrohten Städten eine Teilhabe am Entschuldungsfonds ermöglicht wird.
In den nächsten Jahren sollte der Fonds gemäß den Ergebnissen des Gutachtens “Haushaltsausgleich und Schuldenabbau – Konzept zur Rückgewinnung kommunaler Finanzautonomie im Land Nordrhein-Westfalen” von Prof. Dr. Martin Junkernheinrich und Prof. Dr. Thomas Lenk deutlich aufgestockt werden. Hierzu eröffnet insbesondere die Übernahme der Grundsicherung (im Alter und bei Erwerbsminderung) durch den Bund mit einem bis 2014 auf eine Milliarde ansteigenden Entlastungsvolumen neue Möglichkeiten. Diese Mittel müssten
(wie im Gutachten vorgesehen) zur Finanzierung der Entschuldungshilfe bei den entlasteten Kommunen (zumindest teilweise) abgeschöpft werden. Keine Kommune würde gegenüber dem heutigen Zustand eine Verschlechterung erfahren. Eine solche Festlegung müsste das Land allerdings noch in diesem Jahr treffen, damit die Planungsgrundlagen für die Kommunen 2012 ff. nicht nachträglich verändert werden. Auf dieser Grundlage ist ebenso bereits jetzt zu klären, wie hierdurch der Kreis der Berechtigten (ggf. schrittweise bis 2014) erweitert wird. Ferner sind Einsparbemühungen der Städte zu honorieren, um zu verdeutlichen, dass gerade auch die Eigenanstrengungen der Städte einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der Schuldenkrise bedeuten. Es kann nicht
sein, dass gerade die Eigenanstrengungen dazu führen, dass diese Städte schlechter gestellt werden.
Der Rat der Stadt Essen bittet den Oberbürgermeister, sich dementsprechend im Land für die Teilhabe der Stadt Essen am Entschuldungsfonds einzusetzen.
5. Der Rat der Stadt Essen appelliert an die Landesregierung und den Landtag, die vom Gesetzgeber angekündigte volle Berücksichtigung der Soziallasten im GFG 2012 vorzunehmen. Die weiter gestiegenen Kosten müssen sich im angemessenen Umfang vollumfänglich im GFG 2012 abbilden.
6. Der Rat der Stadt Essen erwartet auch von der Bundesregierung wirksame Beiträge zur Konsolidierung der Kommunalfinanzen. Mögliche Steuerentlastungen dürfen nicht zu Lasten der Kommunen gehen.
Begründung:
Die rot-grüne Landesregierung hat im März 2011 verlautbart, dass das Gutachten “Haushaltsausgleich und Schuldenabbau – Konzept zur Rückgewinnung kommunaler Finanzautonomie im Land Nordrhein-Westfalen” der Professoren Dr. Martin Junkernheinrich und Dr. Thomas Lenk als Grundlage für einen breiten Diskussionsprozess mit den kommunalen Spitzenverbänden und allen Landtagsfraktionen dienen soll, um nach Wegen zu suchen, die Konsolidierung in den Kommunen rasch und nachhaltig in Gang zu setzen. Gegenstand des Gutachtens war, Kriterien zur Finanzhilfe für Kommunen in sehr angespannten Haushaltslagen zu ermitteln. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass das Hauptproblem die seit Jahren steigenden Soziallasten sind. Die Autoren des Gutachtens fordern deshalb eine massive Entlastung der Kommunen durch den Bund. Nach dem Willen der Gutachter soll aber auch das Land zusätzliche Entschuldungshilfen an die Städte auszahlen. Außerdem ist ein Solibeitrag der reicheren NRW-Kommunen zugunsten der überschuldeten Städte und Gemeinden in dem
Konzept verankert. Dadurch sollen die kommunalen Kassenkredite von derzeit über 20 Milliarden Euro bis 2020 auf 10 Milliarden Euro reduziert werden. Falls dies nicht geschehen sollte, droht laut Lenk und Junkernheinrich ein Anstieg der kommunalen Kassenkredite in NRW
auf 50 Milliarden Euro im Jahr 2020.
Die hohen Soziallasten, die in den allermeisten Fällen auf Initiativen und Entscheidungen des Bundes zurückgehen, sind ebenfalls in erheblichem Umfang für die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen verantwortlich. Daher sollte die Bundesregierung ihrer Verantwortung gerecht werden und die Kommunen bei den Sozialausgaben (insbesondere bei den Kosten der Unterkunft und Heizung sowie der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) stärker entlasten. Gerade die Kosten der Unterkunft verursachen eine durch Bundesgesetz
herbeigeführte Schieflage bei der Kommunalfinanzierung. Ausgerechnet jene Städte und Gemeinden, die besonders vom Strukturwandel betroffen sind, müssen nicht nur bei der Umstrukturierung ihrer Wirtschafts- und Sozialstruktur leisten, sondern sie müssen auch
noch die vom Bundesgesetzgeber festgesetzten Kosten der sozialen Transferleistungen tragen.
Mit freundlichen Grüßen
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