Wind, Flaute oder Sturm

Frank Dikötter über Diktaturen und ein Leserbrief dazu

Leserbrief zum Interview mit Frank Dikötter zu Diktaturen in der WAZ vom 4.6.2020 (Kultur-Teil)

Die DDR sei eine Diktatur gewesen, sagt Frank Dikötter in dem Interview, das heute in der WAZ abgedruckt war.
Dagegen sei die Türkei Erdogans, in der aktuell viele Journalisten einsperrt sind, eine zwar schwache, aber immerhin doch eine Demokratie. Als Anhaltspunkt dafür nennt er nicht etwa die Pressefreiheit, sondern dass Ankaras neuer Bürgermeister einer Oppositionspartei angehört.

Als der alternde Schriftsteller Heinrich Heine noch zu seinen Lebzeiten aus seinem Pariser Exil wieder nach Berlin reisen wollte, hatte ihn der preußische Staat unter Friedrich Wilhelm IV, Innenminister Ernst von Bodelschwingh samt dem zuständigen Polizeidirektor von Berlin, daran gehindert.

Sie wollten ihm kein freies Geleit für einen Besuch bei Ärzten zusichern. Er würde verhaftet werden, wenn er Preussen beträte, wurde ihm beschieden, also reiste er nicht, und starb bald danach in Paris.

Nach seinem Tode, hätte Heinrich Heine aber 1953 zu einer fiktiven Reise nach Berlin aufbrechen können, in die gerade neu gegründete Deutsche Demokratische Republik. Er war dort ganz bekannt und sehr geschätzt. Er wäre voller Erwartung dorthin gefahren, um dort seine Schriftstellerkollegen Bert Brecht, Hanns Eisler, Helene Weigel treffen zu können.

Diese fiktive Reise fand statt, in einer Erzählung von Roland Hoja: „Heine bei Brecht“ (ISBN 978-3-8370-0717-6)

Die Deutsche Demokratische Republik war der demokratische Neuanfang nach dem Hitlerfaschismus, was man von dem anderen Deutschen Staat, der Bundesrepublik Deutschland nicht hätte sagen können. Zu viele Vertreter des alten faschistischen Regimes blieben in der BRD in Amt und Würden. Das machte aus der BRD zwar noch keine Diktatur, aber die Kommunistische Partei KPD wurde 1956 verboten, und viele demokratische Rechte mussten ihr dann aber doch noch abtrotzt werden.
Solange es den anderen deutschen Staat, die DDR gab, gelang das auch noch ganz gut.

Jetzt geht es leider in eine andere Richtung, erfahrbar an neuen Überwachungsbefugnissen der Sicherheitsbehörden, des Geheimdienstes, ein Geheimdienst, der sich nicht wie in der DDR einfach und ehrlich „Staatssicherheit“ nennt, sondern wie in einem Orwell-Roman : „Verfassungsschutz.“

Olaf Swillus

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