Wind, Flaute oder Sturm

Käthe-Larsch-Str: Ein Journalist sieht Rot auch bei Grün

Die Altenessenerin Käthe Larsch wurde mit der Benennung einer Straße geehrt. Klaus Gerstendorff, ein Enkel von Käthe Larsch, sprach am 30.12. ab 13 Uhr in der Geschäftsstelle der Essener Grünen über seine Großmutter. Hier zum Nachhören:
Vortrag von Klaus Gerstendorff zu Käthe Larsch
Zum Nachlesen: Vortrag (PDF) und gruenerkv-essen.de: Erinnerung an nationalsozialistisches Unrecht: Einweihung der Käthe-Larsch-Straße

Diese Veranstaltung war wohl Anlaß für Frank Stengleins Artikel am 3.1.2012 : „Straße für Kommunistin und NS-Opfer“, der sowohl in der NRZ als auch im WAZ-Lokalteil Essen veröffentlicht worden ist.

WAZ-Journalist Frank Stenglein schreibt gegen Straßennamen an und bringt dabei im Eifer seines Kreuzzuges gegen den Kommunismus einiges durcheinander.

In einem Leserbrief versuchen der Grüne Ratsherr Walter Wandtke und der Fraktionssprecher der Grünen in der Bezirksvertretung I Reinhard Mielke wieder ein wenig Ordnung in dieses Durcheinander zu bringen.

Leserbrief von Walter Wandtke und Reinhard Mielke.

Essen, den 3.1.2012

An die Lokalredaktionen Essen der WAZ/NRZ

Betrifft: Artikel vom 3.1.2012 : „Straße für Kommunistin und NS-Opfer“
von Frank Stenglein erschienen im NRZ und WAZ-Lokalteil Essen

Ein Leserbrief zur Richtigstellung

Der zunächst von der Bezirksvertretung I auf den Wege gebrachte und Anfang Juli 2011 im Hauptausschuss der Stadt Essen von den Grünen gestellte und mehrheitlich so beschlossene Antrag, eine kleine Straße im Universitätsviertel nach der Widerstandskämpferin Käthe Larsch zu benennen, ist kein Denkmal für KPD-Parteigänger.

Als Grüne Mandatsträger sind wir aber selbstverständlich davon überzeugt, dass Lebensleistung wie auch Tragik von Menschen im Widerstand gegen den nationalsozialistischen Unrechtsstaat gleichermaßen etwa für Christen, Kommunisten, Sozialdemokraten oder Juden zu würdigen ist.

Die Frage wie Stalinismus als Staatsdoktrin in der Sowjetunion oder später in DDR moralisch zu beurteilen oder zu verurteilen ist, bleibt ein anderes Streitfeld.

Die Ehrung von Käthe Larsch, die bereits im Mai 1935 als Folteropfer durch die deutsche Gestapo ermordet wurde, hat sachlich mit Kommunismus wie Antikommunismus nichts zu tun.

Deshalb ist es hier unwichtig, ob die Vorlagen damaliger Flugblätter gegen den NS-Terror, die im Keller ihrer Wohnung gedruckt wurden und von ihr mit verteilt wurden, von der verbotenen KPD oder der damals ebenso illegalen SPD stammten.

Menschen in den Vordergrund zu stellen, die den Mut aufbrachten, gegen einen die Menschenrechte verachtenden, scheinbar übermächtigen Staat vorzugehen, ist auch Aufgabe öffentlicher städtischer Namensgebung.

Leider war Herr Stenglein im Gegensatz zu anderen Journalisten nicht bei der öffentlichen Veranstaltung der Grünen am 30.12.2011 anwesend, die wohl Anlass seines Artikels war. Zu diesem Termin waren sowohl allgemein an der Straßenbenennung interessierte, wie auch insbesondere die Enkel von Käthe Larsch nach Essen gereist.

Dort hätte Herr Stenglein den Vortrag von Klaus Gerstendorff, eines jetzt in Nürnberg lebenden Enkels von Käthe Larsch hören können.

Genauere Details aus dem Leben seiner Großmutter wie auch der Eltern seiner Geschwister zeigen für die Familie demnach ein durchaus gebrochenes Verhältnis zu den Heldenmythen, die später die KPD in West- wie Ostdeutschland pflegten.

Zu Hans Marchwitza

Schade auch, dass im NRZ/WAZ-Artikel die Vorgeschichte der Namensgebung nicht korrekt wiedergegeben ist. Der erste Namensvorschlag der Grünen Fraktion im Stadtbezirk I für den bis 1933 in Essen lebenden Bergarbeiterschriftsteller Hans Marchwitza hatte die mehrheitliche Zustimmung auch der anderen Parteien in der Bezirksvertretung erhalten.

Insbesondere Hans Marchwitza ist aber nach dem durch die Nationalsozialisten erzwungenen Verbot seiner Bücher und rettendem Exil eine „Persönlichkeit von überörtlicher Bedeutung“. Tatsächlich siedelte Marchwitza auch bald nach seiner Rückkehr aus dem us-amerikanischem Exil schon 1947 in die DDR über und wurde dort eine Art „Vorzeige-Arbeiterschriftsteller“.

Über solche Namen darf laut Hauptsatzung der Essen auch nur der Hauptausschuss entscheiden. Über die Bestätigung des Beschlussvorschlags der Bezirksvertetung I für „Hans Marchwitza“ wurde im Hauptausschuss allerdings gar nicht abgestimmt.

Sehr überraschend hatte die Stadtverwaltung die entsprechende Vorlage zurückgezogen, da sie wohl eine weitere öffentliche streitbare Debatte über die Namensgebung vermeiden wollte. Ob eine Abstimmung über Hans Marchwitza im Hauptausschuss letztlich gegen den Bergarbeiterschriftsteller ausgegangen wäre, lässt sich nur spekulieren.

Mit bestem Gruß, Walter Wandtke Reinhard Mielke


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