Wind, Flaute oder Sturm

Aufstehen gegen Rassismus Essen: Offener Brief an NRW-Innenminister

Pressemitteilung Aufstehen gegen Rassismus Essen, 10.09.2020

[Quelle, 11.10.2020] agr-essen.de/…/polizeiskandal-offener-brief-an-innenminister-reul

Offener Brief an Innenminister Reul

Essen, 09.10.2020 – Das örtliche Aktionsbündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ veröffentlicht gemeinsam mit zahlreichen Unterstützer:innen einen offenen Brief an den nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul zum Essener Polizeiskandal.

Die mediale Berichterstattung um den – maßgeblich in Essen/Mülheim aufgedeckten, aber auch weitere Landesteile NRWs betreffenden – Polizeiskandal reißt nicht ab. Seit dem ersten Bekanntwerden am 16.09.2020, vier Tage nach den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen, sind mindestens fünf Chatgruppen mit rechtsextremen Inhalten in NRW aufgedeckt worden. Bislang liegen 104 rechtsextreme Verdachtsfälle vor, davon 31 im Polizeipräsidium Essen-Mülheim und vier weitere im Innenministerium. In acht Fällen gibt es einen Bezug zur Reichsbürgerszene. Die Staatsanwaltschaft ermittelt z.B. gegen einen Beamten der Polizei Mülheim, der einen bereits gefesselten und wehrlosen Mann mit Migrationshintergrund geschlagen haben und offenbar Drahtzieher einer der rechtsextremen Chatgruppen sein soll. Laut Innenminister Reul kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Beamt:innen Teil des rechtsrextremen Netzwerkes sind.

Kaum eine Woche später wurde der Inhalt einer Broschüre öffentlich, in dem die Professorin für Kriminologie an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in NRW, Frau Dr. Dorothee Dienstbühl, die „Lebenswelt arabischer Familienclans“ durchleuchtet und Hinweise zur Bekämpfung krimineller Handlungen dieser gibt. Darin heißt es zum Beispiel: „Auf eine stetige Abgrenzung zwischen Clanmitgliedern, die kriminell in Erscheinung getreten und solchen, die es nicht sind, muss an dieser Stelle verzichtet werden.“ Der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel bezeichnet die Broschüre als „Sammelsurium von Stereotypen“ mit „rassistische[r] Komponente“, der Essener Ordnungsdezernent Christian Kromberg bezeichnet sie hingegen als „praktische Handreichung“ im Berufsalltag der Ordnungskräfte.

Am heutigen Donnerstag wendet sich Aufstehen gegen Rassismus Essen daher mit 15 weiteren Organisationen (Alibi Essen, Anti-Rassismus-Telefon Essen, attac Essen, Black Community Foundation Essen, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Mülheim an der Ruhr, DIE LINKE. Essen, DIE LINKE. Mülheim an der Ruhr (Kreisvorstand), Extinction Rebellion Essen, Fridays for Future Essen, Fridays for Future Mülheim, Jugendwerk der AWO Essen, Linksjugend [’solid] Essen, Migrantifa NRW, Poly Push Kollektiv, SJD / Die Falken Essen) und Parteien in einem Offenen Brief an NRW-Innenminister Reul. Darin heißt es, dass in Essen bereits seit Jahren Vorwürfe über rassistische Polizeipolitik laut würden. Diese Zustände seien „nicht länger hinnehmbar“ und müssten „personelle und strukturelle Konsequenzen“ nach sich ziehen. Konkret gefordert werden der Rücktritt bzw. die Absetzung Frank Richters als Polizeipräsident sowie seiner Frau Silvia Richter als Extremismusbeauftragte, eine unabhängige Studie über Racial Profiling bei der NRW-Polizei sowie eine Stellungnahme zur Schulungsbroschüre „ARABISCHE FAMILIENCLANS – Historie. Analyse. Ansätze zur Bekämpfung“, die auf die Unterzeichnenden des Briefes wie eine „Anleitung, Menschen aufgrund ihrer Herkunft systematisch zu kriminalisieren, in Sippenhaft zu nehmen und zu schikanieren“ wirke.

Aufstehen gegen Rassismus erklärt: „Es findet eine dramatische politische Verschiebung statt: Rassismus und Menschenverachtung werden gesellschaftsfähig. Ganz Deutschland ist von einer nationalistischen Stimmung der Entsolidarisierung und Ausgrenzung erfasst. Eine Schlüsselrolle für die Rechtsentwicklung in Deutschland und für die Zunahme rassistischer Anfeindungen sowie rechter Gewalt schreiben wir der AfD zu, in deren Reihen sich zahlreiche Polizistinnen und Polizisten befinden. Denn auch die Polizei ist nur ein Abbild der Gesellschaft.“

Weiter heißt es: „Auf den Tag genau ein Jahr nach dem abscheulichen rechtsterroristischen Anschlag in Halle sollte klar sein: Es geht hier nicht um Einzelfälle – es geht um rechtsterroristische Strukturen. Und es geht um die schleichende gesellschaftliche Normalisierung von Rassismus und Faschismus in unserer Gesellschaft.“

Aufstehen gegen Rassismus Essen stehe solidarisch an der Seite aller Betroffenen von Rassismus, Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt. „Wir müssen endlich anfangen, Betroffenen zuzuhören. Leugnungen, Bestürzungsbekundungen und Pressekonferenzen reichen nicht aus. Es wurde genug geredet! Jetzt müssen Taten folgen, um die offensichtlichen Missstände zu beheben“, so eine Aktivistin. „Wir stehen ein für einen gesellschaftlichen Antifaschismus und eine Welt ohne rassistische Polizeigewalt. Das heißt konkret: Rassisten und Nazis raus aus Polizei, Bundeswehr und Behörden!“

Aufstehen gegen Rassismus hat zudem eine Petition mit den oben genannten Forderungen auf change.org veröffentlicht: https://www.change.org/polizeiskandal-essen


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