Essen will Optionskommune werden / Gabriele Giesecke
Essen will Optionskommune werden und die Betreuung von über 81.000 Hartz IV-Berechtigten in die eigenen Hände nehmen. Dies beschloss der Stadtrat mit übergroßer Mehrheit am 22.9.2010. Als einzige Fraktion sprach sich DIE LINKE für die Beibehaltung der Zusammenarbeit zwischen Bundesagentur und Kommune aus. Für uns stand die Frage im Mittelpunkt: „Verbessert die Umstellung die Lage der Betroffenen?“. Diese Frage konnten wir nur mit nein beantworten.
Zunächst mal werden die Hartz IV-Berechtigten die mit der Übernahme durch die Stadt verbundenen Umstellungen bald schon zu spüren bekommen. Die Beschäftigten des JobCenters werden sehr stark mit bürokratischen Arbeiten wie einer neuen EDV, Übergabe von Unterlagen etc. belastet sein und kaum noch Zeit für Beratung und Vermittlung haben. Ebenso ist zu befürchten, dass es zu Engpässen bei der Auszahlung der sowieso schon kargen Geldleistungen kommen wird.
Sicherlich gibt es auch gute Gründe für die Option. Sie ermöglicht viel kommunalen Einfluss und kann Fördermaßnahmen in Eigenregie dem örtlichen Bedarf anpassen. Sozialdezernent Renzel und der Ratsmehrheit geht es jedoch in erster Linie um fiskalische Überlegungen, ums Geld. Die Stadt will allein über die rund 81 Mio. Euro an Fördermitteln für Arbeitsmarktpolitik verfügen und gleichzeitig durch mehr Druck bei Vermittlungen Kosten sparen.
Verrechnet?
Die Belastungen, die die Umstellung mit sich bringt, wurden deshalb von der Verwaltung „klein rechnet“. So kalkuliert die Stadtverwaltung nur mit rd. 3 Mio. Euro Übernahmekosten.
Die Bundesagentur geht für Essen dagegen von rund 6 Mio. Euro aus, höhere Personalkosten noch nicht eingerechnet. Diese Umstellungskosten muss die Stadt allein aufbringen.
Gleichzeitig überschätzt die Stadtverwaltung die „Einsparpotentiale“. Sie will vor allem die Vermittlung in Arbeit verbessern und dadurch z.B. auch Kosten der Unterkunft sparen. Sie blieb allerdings die Antwort schuldig, wie das ohne die Mithilfe der Arbeitsagentur gehen soll.
Ein schlüssiges Konzept gibt es nicht. Die Erfahrungen und vorhandenen Zahlen aus anderen Städten belegen auch, dass in den Orten, wo Kommunen und Arbeitsagenturen zusammenarbeiten, sowohl die durchschnittlichen Mietkosten pro Bedarfsgemeinschaft 14 % niedriger sind als auch die Vermittlungsquoten besser ausfallen.
Selbst Hearing abgelehnt
DIE LINKE scheiterte im Stadtrat mit ihrer Forderung vor einer Entscheidung ein öffentliches Hearing durchzuführen. Selbst diese
Forderung, die bei so grundlegenden Entscheidungen eigentlich selbstverständlich sein sollte, lehnten SPD, CDU, Grüne, FDP und EBE ab, obwohl kritische Stimmen gegenüber der Option im Vorfeld nicht ausreichend gewürdigt wurden. Weder die Bundesagentur noch die Gewerkschaften oder Arbeitergeberverbände wurden gehört, ebenso wenig Vertreter/innen der Betroffenen. Selbst Befürworter wie z.B. die Wohlfahrtsverbände oder die Beschäftigungsgesellschaften hatten kein öffentliches Forum.
Ein wenig Angst vor der eigenen Courage zeigten die Befürworter im Stadtrat dann schließlich doch: Bevor die Landesregierung im Frühjahr endgültig über die Zulassung Essens als Optionskommune entscheidet, soll der Beschluss überprüft werden. DIE LINKE wird sich jetzt vor allem verstärkt für die Verbesserung der Situation der Hartz IV-Berechtigten einsetzen.
Dazu gehört die Anpassung der Mietobergrenzen genauso wie ein gestärkter JobCenter-Beirat, in dem die Hartz IV-Berechtigten endlich selbst vertreten sein sollten.
(Gabriele Giesecke)