Wind, Flaute oder Sturm

Kirche, Moral, Politik und Realität

„Kirche ist für Moral da, Politik für die Realität …“, schrieb Herr Stenglein in einem Kommentar am 28.11.2013 in der WAZ, und führte dies als Grund für Irritaionen an, die die Unterzeichnung eines umstrittenen Offenen Briefes durch zwei Kirchengemeinden in Altendorf ausgelöst haben. Als wenn Moral und Politik nichts miteinander zu tun hätten. Die WAZ scheint sich zurzeit auf Kirchen einzuschießen. Wenn Kirchenleitungen gute und herausfordernde Worte für Flüchtlinge einlegen, dann interessiert das meist nur wenig. Wenn dann aber eine Gemeinde, die in einem breiten Bündnis zum Wohle des Stadtteils arbeitet, sich mal unüberlegt und fahrlässig einer problematischen Stellungnahme anschließt, wahrscheinlich ohne sie vorher genau gelesen zu haben, dann prangern viele den Mangel an „Nächstenliebe“ an.

Ein Pro- und Contra- Kommentar zur Frage: Kritik an Asyl-Heimen in Altendorf. Dürfen die Kirchen dabei mittun? erschien in der Lokalausgabe der Essener WAZ und trifft es nur teilweise, gab aber Anlass zu einem ausführlichen Leserbrief, den wir weiter unten gerne dokumentieren.

Leserbrief zu WAZ-Essen 28.11.2013 – Pro und Contra: „Kritik an Asyl-Heimen in Altendorf“ (von Olaf Swillus)

Lieber Herr Stenglein, liebe Frau Wandt.

Kritik an Asyl-Heimen in Altendorf. Dürfen die Kirchen dabei mittun?

Natürlich, Herr Stenglein.
Auch ProAsyl hat kritisiert, dass Schulen zu Notunterkünften umgebaut werden. Es ist also nicht die Frage, ob Kritik erlaubt ist.

Das Richtige kann aber auch mit falschen Argumenten gefordert werden, und das ist mit dem unsäglichen Papier, dass die Kirchenvertreter unterschrieben hatten, nun geschehen.

Frau Wandt hat das unsägliche in ihrem Kommentar zitiert:

„Das bewundernswerte Engagement der Frintroper und Dilldorfer Bürger und ihre Spendenbereitschaft können wir Altendorfer Bürger nicht mehr aufbringen, da wir uns schlichtweg überfordert fühlen.“

Als würde von allen erwartet, die ca 100 Flüchtlinge einzeln zu betreuen. Und wer hat eigentlich von den Unterzeichnern “Spenden” verlangt ?

Kathrin Richter von ProAsyl schrieb dazu:

Wir bekommen in unserer Geschäftsstelle mehrmals in der Woche Anrufe, dass jemand Spielgeräte, Winterkleidung, ..abgeben möchte, und verweisen dann immer an den Ansprechpartner von European Homecare für die beiden bisherigen Behelfseinrichtungen.

Die Rede von der überforderten Spendenbereitschaft ist daher an Heuchelei kaum zu überbieten. Es war ein Fehler, dass die Kirchenvertreter ein solches Papier unterschrieben haben. Aber jeder Pfarrer oder Priester weiß: Menschen machen Fehler. Und da wo Schuld ist, gibt es auch Vergebung. Es vergeht wohl kaum ein Sonntag, wo nicht auch darüber gepredigt wird.

http://ilkalohmann.blogspot.de/2013/04/vergib-uns-unsere-schuld-wie-auch-wir.html

Und noch etwas Herr Stenglein.

Sie scheiben von Moral und Politik („Realität“), als wenn die nichts miteindander zu tun hätten.

Aber ohne Moral gäbe es keine Demokratie.

Ohne Moral könnte darüber diskutiert werden, ob eine Diktatur vielleicht nicht doch effizienter wäre. Warum ein Parlament, wenn ein König doch viel preiswerter wäre?
Als moralische Menschen, können wir aber sagen, dass sich eine solche Diskussion für uns verbietet.

Die Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beginnt mit den Worten: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott“, was den moralischen Standpunkt festigt, dass die Frage von Gut und Böse, Recht und Unrecht, nicht nur eine Sache der Macht- und Mehrheitsverhältnisse ist, sondern es darüber hinaus einige Regeln gibt, die nicht zur Diskussion stehen. Zu den Fundamenten unseres Rechtsempfindens gehören z.B. auch die 10 Gebote.

Als moralischer Mensch kann man sogar noch weiter gehen:

So heisst es z.B. in einem alten niederländischen Katechismus:

Frage 10:
Was versteht man unter dem Übel gegen die die Liebe sich wenden muss ?

Antwort:
Die weitgehende Ungleichheit, die durch Feindschaft auf dem Erdboden besteht. … So dass diejenigen, die am schwersten auf dem Erdboden bauen und arbeiten das wenigste von den Früchten geniessen.

Frage 11:
Was will die Liebe dagegen tun ?

Antwort:
Sie will die Berge von Reichtum, Herschaft Macht und Höhe unter den Menschen einebnen und die Täler der Armut, Verachtung und Unwissenheit so sehr erhöhen,
dass es Gleichheit gäbe. (*)

Mehr dazu: http://blog.swiola.de/2007/10/28/ein-reisebericht-eine-buchbeschreibung-die-niederlandische-arbeiterbewegung-im-19ten-jahrhundert/

Ein Kommentar

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