Wind, Flaute oder Sturm

Asyl in Altendorf: Offener Brief von Heinz Hammer und Reaktion von ProAsyl

Heinz Hammer: Offener Brief an – Die Ratsfraktionen – Die Bezirksvertretung III – Den OB Reinhard Paß – Die örtlichen Medien

Mit Datum vom 24.11.2013 versandte der »Altendorfer Runde Tisch« einen Offenen
Brief an die politischen Entscheidungsträger der Stadt Essen
(Ratsmitglieder und – fraktionen, Bezirksvertreter/innen und OB Paß), in dem sich die unterzeichnenden Organisationen vehement gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in der ehemaligen Markscheide-Schule aussprechen und eingangs darauf hinweisen: »Bei diesem Anliegen sprechen wir auch für etliche einzelne Bürger«. Ich lege Wert auf die Feststellung, dass hier nicht in meinem Namen gesprochen wurde.

Verwiesen wird auf »diverse Investitionen in die Wohnumfeldverbesserung, Aufwertung Altendorfs« usw., als wenn die Unterbringung von Flüchtlingen ein Faktor der Kapitalverwertung bzw. ökonomischen Abwertung sei. Das größte »Kapital« und der edelste Wert, den wir Menschen besitzen, ist allerdings die Mitmenschlichkeit.

Dies schliesst die Aufnahme und den Schutz von Menschen in Not ein, die zu uns
kommen bzw. es als Flüchtlinge überhaupt bis hierher schaffen – Stichwort:
Lampedusa.

Wieso ein solches Schriftstück von dem Christentum verpflichteten Vereinen, ja
sogar originären Gliederungen der katholischen und evangelischen Kirche unterzeichnet wurde, ist mir völlig schleierhaft.

In dem Offenen Brief wird ein geradezu drohender Ton angeschlagen, wenn es heißt: »Das bewundernswerte Engagement der Frintroper und Dilldorfer Bürger und ihre Spendenbereitschaft können wir Altendorfer Bürger nicht mehr aufbringen, da wir uns schlichtweg damit überfordert fühlen (…) dass man diese zu uns strömenden, hilfebedürftigen Flüchtlinge an anderen Standorten menschenwürdig unterbringt, an denen die Anwohner noch Potenzial aufbringen können, um diese Menschen sozial zu integrieren. Wir befürchten, dass die Unterbringung von weiteren hilfebedürftigen Menschen weit über die Grenzen dessen hinausgeht, was wir an Integrationsarbeit zu leisten imstande sind.« [Hervorhebungen von mir; Hammer]

Ähnliche Töne – bis in die Formulierungen hinein – gab es Anfang der 90er Jahre, die dann konsequenterweise in die mörderischen Pogrome von Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen usw. mündeten. Ist dies den unterzeichnenden Gruppen etwa nicht bekannt? Natürlich ist es notwendig, die zu uns kommenden Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, und zwar möglichst schnell in Wohnungen statt in
Sammelunterkünften. Hierfür haben die städtischen Stellen schnellstmöglich Sorge
zu tragen. Doch wenn es für eine erste Übergangszeit nicht anders geht, so müssen vorhandene Räumlichkeiten wie die ehemalige Markscheideschule kurzfristig als Unterkünfte hergerichtet und zur Verfügung gestellt werden.
Ich wohne zeitlebens, also seit fast 60 Jahren, in Altendorf und in der unmittelbaren
Nähe der ehemaligen Markscheideschule. Ich heiße die zu uns kommenden Menschen in Not ausdrücklich willkommen.
Heinz-W. Hammer


Kathrin-A. Richter (ProAsyl) dazu:

Mit Bestürzung hatte ich heute Morgen den WAZ-Artikel gelesen, in dem der „Altendorfer Runder Tisch“ zitiert wurde mit der Aufforderung:“Bitte suchen Sie einen anderen Standort!“ Zu diesem Zeitpunkt lag mir noch nicht den Wortlaut und vor allem nicht die Liste der Unterzeichner vor.

Ich finde die Wortwahl „zu uns strömenden…Flüchtlinge“ sehr gefährlich, erinnert sie doch zu sehr an die angebliche „Flut“ von Flüchtlingen, wenn auch immer wieder die „Hilfsbedürftigkeit“ betont wird.

Dabei erwecken die Schreiber den Eindruck, als würde nun von ihnen allen erwartet, die ca 100 Flüchtlinge einzeln zu betreuen.  Tatsache ist, dass gerade in den wirklich nur notdürftigen Behelfseinrichtungen (8-12 Personen in einem Klassenraum, nur getrennt mit Paravents, keine Eigenversorgung, sondern Essen durch einen Catererservice mit abgepackten Portionen,…) ein Betreuungsangebot und ein Sicherheitsdienst durch einen Dienstleister sicher gestellt wird wie leider in keinem der regulären Übergangsheime, sodass auftretende Missverständnisse in der Nachbarschaft sofort ausgeräumt werden, Konflikte gar nicht erst entstehen.
Natürlich werden umliegende Schulen belastet durch Seiteneinsteiger, denn auch Flüchtlingskinder unterliegen von Anfang an der Schulpflicht – zum Glück!
Die Erfahrung an den bereits vorhandenen Standorten zeigt, dass sich schnell Menschen fanden, die dort gerne und mit viel Freude sich überlegen, wie sie als Einzelne sich einbringen, um den Flüchtlingen zu zeigen, dass sie willkommen sind. Und wenn es heißt, dass die Altendorfer nicht mehr Spendenbereitschaft aufbringen können – was heißt das denn? Wer verlangt von ihnen „Spenden“? Wir bekommen in unserer Geschäftsstelle mehrmals in der Woche Anrufe, dass jemand Spielgeräte, Winterkleidung, ..abgeben möchte,  und verweisen dann immer an den Ansprechpartner von European Homecare für die beiden bisherigen Behelfseinrichtungen.

Ich persönlich kann wie Sie nicht verstehen, dass die beiden Kirchengemeinden die Aufforderung „Bitte suchen Sie einen anderen Standort!“ mit unterschrieben haben. Gerade haben die Synoden sowohl der westfälischen, der rheinischen Landeskirche wie auch der EKD deutliche Worte gefunden: Zum christlichen Glauben gehöre es, Flüchtlingen beizustehen, die in Deutschland Schutz vor Not und Verfolgung suchen.

Natürlich kritisiert auch ProAsyl immer wieder, dass in den vergangenen Jahren Übergangsheime nicht gleichmäßig  in allen Stadtteilen verteilt errichtet wurden. Das hat etwas mit der Wohnstruktur in Essen zu tun. Im Süden finden sich auch nur selten Wohnungen, die der Mietobergrenze von Hartz IV entsprechen.

Ich habe so ausführlich auf Ihren Offenen Brief reagiert, weil es mir als Vorsitzende von ProAsyl (und engagiertes Gemeindemitglied) wichtig ist, Menschen zu ermutigen, die sich offen gegen den sog. Mainstream stellen.

Im Anhang schicke ich auch unsere Forderungen zur Unterbringung von Flüchtlingen und den Flyer, den die Stadt Essen mit European Homecare herausgegeben hat. Er kann vielleicht Befürchtungen der Anwohner wegen zukünftiger Behelfseinrichtungen entkräften. (Damit ich nicht missverstanden werde: im Interesse der Flüchtlinge befürworten wir keine Behelfsunterkünfte; wir sehen aber, dass die Stadt Nachholbedarf bei der Bereitstellung von Plätzen hat und sie allemal besser als die angedrohte Turnhallenbelegung sind.

Mit freundlichem Gruß

Kathrin-A. Richter





Consent Management Platform von Real Cookie Banner