Wind, Flaute oder Sturm

Britischer Arzt Ghassan Abu Sittah durfte als Zeuge des Gaza-Krieges nicht einreisen

Ghassan Abu Sittah wollte an einer Konferenz teilnehmen, auf der er Beweise für den Krieg in Gaza vorlegen und als Arzt, der in den dortigen Krankenhäusern arbeitete, Zeugnis ablegen wollte. Er wurde vorsorglich von der Bundespolizei mit einem Einreiseverbot belegt, auf dem Flughafen festgehalten, seines Passes entledigt und musste unverrichteter Dinge nach London zurückkehren. Auch online konnte er seinen Redebeitrag nicht mehr halten. Ghassan Abu Sittah ist Rektor der Universität Glasgow und hat als Arzt 43 Tage im Gazastreifen gearbeitet. Er wurde dabei und Zeuge der menschenverachtenden Kriegsführung Israels ist.

Kämpferischer Protest gegen Verbot von Palästina-Kongress (rf-news.de)

NEUE QUALITÄT DER KRIMINALISIERUNG

Kämpferischer Protest gegen Verbot von Palästina-Kongress

Am Freitag löste die Polizei den in Berlin-Tempelhof in einem Veranstaltungsraum tagenden Palästina-Kongress auf, auf Betreiben des Berliner Senats mit Unterstützung durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser wurde er dann gleich ganz verboten. Der Kongress stand unter dem Motto „Wir klagen an!“ Dieses Motto gilt jetzt doppelt und dreifach.

Von Korrespondenten aus Berlin/gis

Sonntag,  14.04.2024,  18:00 Uhr

Angeklagt von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Palästina-Kongresses, von der Protestdemo gegen das Verbot und von Millionen Menschen auf der ganzen Welt ist der Völkermord des imperialistischen Israel an der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen. Angeklagt durch Nicaragua vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ist die deutsche Bundesregierung wegen Beihilfe zum Völkermord. Und angeklagt sind der Berliner Senat, der Oberbürgermeister, die Polizei und Innenministerin Nancy Faeser wegen des unsäglichen Verbots einer friedlichen Diskussionsveranstaltung über den Gazakrieg und Perspektiven des palästinensischen Befreiungskampfs.

Was wollte der Kongress?
Die Anwälte, die die Kongress-Veranstalter für die Vorbereitung, Durchführung und jetzt natürlich für die Klage gegen das Verbot beraten, schrieben in einer Erklärung: „Die Veranstalter planten in Kooperation mit einer Vielzahl politischer Initiativen, NGOs, Bürgerrechtsvereinigungen und Einzelpersonen den Palästina Kongress 2024 als Forum des politischen Austauschs zum Zwecke der Teilhabe an der politischen Meinungsbildung und -kundgabe. Damit sollten die militärischen Angriffe der israelischen Streitkräfte thematisiert werden, die als Folge der Anschläge von Hamas-Kämpfern auf das Leben von über 1.200 israelischen und anderen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern am 7. Oktober 2023 in Gaza durchgeführt werden und dem völkerrechtliche Vorwurf eines Verstoßes gegen die UN-Völkermordkonvention vom IGH für plausibel eingestuft worden ist. Die Veranstalter wollten an die mehr als 32.000 Palästinenserinnen und Palästinenser erinnern, die in Folge der israelischen militärischen Intervention im Gazastreifen ihr Leben lassen mussten, an die zerstörten Familien, die vernichtete Infrastruktur, die verlorenen Kulturgüter und die 1,9 Millionen Vertriebenen, die mit der flächendeckenden Bombardierung überwiegend ziviler Einrichtungen zu beklagen sind. Er wollte in diesem Zusammenhang auch die Frage erörtern, in welcher Weise und in welchem Ausmaß die Politik der Bundesrepublik hierzu Beihilfe leistet.“ Das Massaker der faschistischen Hamas in Israel wird in dieser Zielsetzung beim Namen genannt, wobei sich der Kongress natürlich hauptsächlich gegen den Genozid durch Israel richtete.

„Potentielle Äußerungsdelikte“ als Vorwand
Unmittelbarer Vorwand für die Auflösung der Veranstaltung, die schon den ganzen Freitag über drangsaliert worden war, war eine Video-Botschaft des Kartographen Dr. Salman Abu Sitta. Dieser habe ein Betätigungsverbot in Deutschland wegen ungenügender Abgrenzung gegenüber der Hamas. Bloß, selbst wenn man das Betätigungsverbot als gegeben ansieht: Er hat sich ja gar nicht betätigt in Deutschland! Gerichtlich ist geklärt, dass für das Abspielen von Videos von im Ausland befindlichen Personen ein solches Betätigungsverbot nicht zur Anwendung kommt. Obwohl die Polizei das Geschehen eskalierte, blieben die Teilnehmer ruhig, die Gefahr eines „unfriedlichen Verlaufs“ war allenfalls durch die Polizei gegeben. Dem Verbot legte der Senat eine „Gefahrenprognose“ zugrunde, wonach zu erwartende „Meinungsäußerungsdelikte zur Unfriedlichkeit führen“ müssten. Dafür gab es keinen Anlass. Das mussten Polizei und Senat zugeben und stützten ihre Verbotsanordnung im weiteren Verlauf nicht mehr auf den Vorwurf, es seien strafbare Äußerungen gefallen, sondern auf die Vermutung, dass dies vielleicht geschehen könnte. Ein Redner, der nicht per Video zugeschaltet, sondern tatsächlich auf dem Kongress sprechen sollte, wurde vorsorglich von der Bundespolizei mit einem Einreiseverbot belegt, auf dem Flughafen festgehalten, seines Passes entledigt. Er musste unverrichteter Dinge nach London zurückkehren, auch online konnte sein Redebeitrag nicht gehalten werden. Es handelt sich um den Rektor der Universität Glasgow, Ghassan Abu Sittah, der als Arzt 43 Tage im Gazastreifen gearbeitet hat und Zeuge der menschenverachtenden Kriegsführung Israels ist. Er ist zutiefst erschüttert. Davon wollte er berichten! Vertreter der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost vermuten sicher zu Recht, dass diese Botschaft deutschen Behörden sauer aufgestoßen ist. Das Vorgehen gegen Ghassan Abu Sittah ist ein einziger Skandal, gegen den die MLPD entschieden protestiert.

Diskreditierung als Versammlung von „Israelhassern“
Die Äußerung von Frau Faeser, dass sie „keine islamistische Propaganda und keinen Hass gegen Jüdinnen und Juden“ dulde, ist an sich richtig, hier jedoch am falschen Platz. Auf dem Kongress waren mehr jüdische Teilnehmerinnen und Teilnehmer als im Vorstand der reaktionär-zionistischen Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Der in Deutschland lebende jüdisch-israelische Publizist Abi Melzer schrieb in einem Protestbrief: „Ich habe noch nie gehört, dass man einen Kongress von Israel-Anhängern als ‚Palästinenser-Hasser‘ benannt hat.“ Abi Melzer verwahrt sich schon seit Jahren gegen die Unterstellung, er sei ein „berüchtigter Antisemit“ und hasse Israel. Im Gegenteil, sagt er, weil er sein Land liebt, kämpft er gegen die Politik der Apartheid und des Genozids durch die israelischen Regierungen.

2000 Menschen demonstrieren gegen das Verbot
Eine Korrespondentin der MLPD Berlin berichtet: „Am Samstag, dem 13. April 2024, versammelten sich etwa 2000* Menschen vor allem aus Palästina und Deutschland am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus, um gegen das Verbot des Palästina-Kongresses durch den Berliner Senat zu protestieren. Mit Liedern von Nümmes und dem gemeinsamen Rufen von Parolen wie „free free palastine!“ überbrückten wir die lange Wartezeit, bis nach dem Verlesen der Auflagen endlich die Genehmigung der Polizei kam, mit der Kundgebung zu starten – mit dem Leittransparent vorne dran zwei Reihen palästinensischer Frauen. Alle Rednerinnen und Redner prangerten das Verbot des Kongresses als einen weiteren Schritt im Abbau der demokratischen Rechte und Freiheiten und der Rechtsentwicklung der Regierung und des Senats an und drückten ihre Entschlossenheit aus, das nicht hinzunehmen. Der Zusammenhang des Völkermords durch das faschistische Netanjahu-Regime und seiner ungebrochenen Unterstützung durch die Bundesregierung wurde hergestellt. Eine Rednerin machte deutlich, dass es der Bundesregierung keinesfalls um jüdische Menschen, sondern um die Vorherrschaft verschiedener Imperialisten im Nahen Osten geht. Dabei ist Deutschland nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant.

Wir von der MLPD drückten an dem leider nur kurz möglichen offenen Mikro unsere volle Solidarität mit dem Befreiungskampf des palästinensischen Volkes und gegen das Verbot des Kongresses aus. Wir griffen die unsäglichen Polizeiauflagen an: Wir dürften keine Fahnen verbrennen (hatten wir auch gar nicht vor) – aber in Palästina dürfen Häuser von Familien und Krankenhäuser abgebrannt werden. Wir dürfen keine Waffen haben – aber das Netanjahu-Regime darf mit einem Krieg u.a. mit Waffen aus Deutschland das palästinensische Volk auslöschen. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung wurde ein Kongress verboten, der die Diskussion um die Perspektive des Befreiungskampfes auf seine Tagesordnung gesetzt hatte. Für uns liegt diese Perspektive im echten Sozialismus. Das stand auch in den vielen Gesprächen im Mittelpunkt und stieß bei allen unterschiedlichen Meinungen auf auffällig große Offenheit. Ebenso unsere Lehren, die wir aus der Restauration des Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern. Viele kannten sie MLPD, bedankten sich zum Teil bei uns für unsere Solidarität. Zehn Exemplare des Rote-Fahne-Magazins und 20 Exemplare der Broschüre „Kampf gegen den drohenden Flächenbrand in Nahost. Was ist die Perspektive des palästinensischen Befreiungskampfs?“ wechselten den Besitzer. In dieser Broschüre führt die MLPD auch eine proletarisch-internationalistische Kritik an der Hamas und dem Islamischen Dschihad, die nicht zum palästinensischen Befreiungskampf gehören. Nicht trotz, sondern mit wegen dieser Positionierung hat die MLPD unermüdlich ihre praktische Solidaritätsarbeit mit dem palästinensischen Befreiungskampf entfaltet. Viele Einladungen zur umweltpolitischen Strategiekonferenz am kommenden Wochenende in Potsdam wurden verteilt; einige Demonstrantinnen und Demonstranten wollen ausdrücklich in Kontakt bleiben.“

Kämpferischer Protest gegen Verbot von Palästina-Kongress (rf-news.de)

Zitat aus: https://apnews.com/article/germany-gaza-doctor-conference-entry-refused-e82252cb9bc5e010e8bfd0689f816e53 ins ins Deutsche übersetzt:

Ein prominenter britisch-palästinensischer Chirurg, der während der ersten Wochen des Krieges zwischen Israel und der Hamas freiwillig in Krankenhäusern im Gazastreifen gearbeitet hat, sagte, dass ihm am Freitag die Einreise nach Deutschland verweigert wurde, um an einer pro-palästinensischen Konferenz teilzunehmen – eine Veranstaltung, die später von der Polizei vorzeitig beendet wurde. Dr. Ghassan Abu Sittah sagte, dass er am Freitagmorgen am Berliner Flughafen ankam, bevor er bei der Passkontrolle angehalten wurde, wo er mehrere Stunden festgehalten wurde und ihm dann mitgeteilt wurde, dass er in das Vereinigte Königreich zurückkehren müsse.

APnews
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