Wind, Flaute oder Sturm

23. November 2023: Dakhil – Inside Arabische Clans

[Update 26.11.2023] Podcasts


Das Essener Antirassismus-Telefon lädt zu der Autoren-Lesung und Diskussionsrunde ein:

„Dakhil – Inside Arabische Clans“

Die Veranstaltung findet am Donnerstag, den 23. November 2023 um 18.30 Uhr statt.
Ort der Lesung: Ev. Studierendenzentrum „Die Brücke“, Universitätsstr. 19, 45141 Essen.

Diese Lesung ist ein Anfang für die Auseinandersetzung zu dem Thema „Clankriminalität“ in Essen.

Sie gibt einen Überblick darüber, wie es ist, einer Minderheit anzugehören, die auf rassistische Weise als fremd und feindlich stilisiert wird. Sie zeigt aber auch eine Geschichte der Betroffenen, die voller Hindernisse, Krieg, Diskriminierung und Verfolgung ist.


Donnerstag 23. November 23, 18.30 Uhr,
Ev. Studierendenzentrum „Die Brücke“
Universitätsstr. 19, 45141 Essen

„Das Anliegen dieses Buches ist es, ein authentisches Porträt der in Deutschland lebenden arabischen Großfamilien zu liefern. …
Dabei verschweigen wir die kriminellen Aktivitäten einzelner Familienmitglieder genauso wenig wie den Wunsch der meisten, ein ganz normales Leben zu führen und Teil der Gesellschaft zu sein“.

In Essen wohnen viele Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen und Ländern, aus NRW, … aus Sachsen, … aus dem Libanon, … aus der Türkei. Die meisten arbeiten für ihren Lebensunterhalt, wenn sie denn dürfen. Es gibt natürlich auch, wie in allen Städten auf der Welt, kriminelle Menschen. Insbesondere Essen soll neben Berlin eine „Hochburg“ der sogenannten „Clankriminalität“ sein. Dies führt dazu, dass von Ordnungsbehörden mit großer Regelmäßigkeit Razzien, insbesondere in Shisha-Bars durchgeführt werden. Diese Razzien sind einerseits durch hohe Medienaufmerksamkeit (inklusive der Teilnahme des NRW-Innenministers Reul selbst) und andererseits durch unspektakuläre Ergebnisse (z.B. unversteuerter Tabak, Hygiene-Verstöße) geprägt.

Diese Lesung soll einen Anfang für die Auseinandersetzung zu dem Thema „Clankriminalität“ in Essen darstellen: sie gibt einen Überblick darüber, wie es ist, einer Minderheit anzugehören, die auf rassistische Weise als fremd und feindlich stilisiert wird. Zeigt aber auch eine Geschichte der Betroffenen, die voller Hindernisse, Krieg, Diskriminierung und Verfolgung ist. Und sie erklärt Elemente einer Kultur, die, wenn man sich offen darauf einlässt, gar nicht mehr so fremd erscheinen oder andere von denen wir vielleicht noch lernen können.

Wir kritisieren die Verwendung des Konstrukts „Clankriminalität“, weil anstatt Kriminalität mit den Mitteln des Rechtsstaats zu begegnen, durch dieses Konstrukt rassistische Stigmata bis hin zu einer Eskalation der Strafverfolgung, gerechtfertigt werden. Mit dem Konstrukt „Clankriminalität“ wird der politische und mediale Fokus auf eine Gruppe Mitbürger*innen gerichtet, auf Menschen, die als muslimisch gelesen werden, meistens mit libanesischer Zuwanderungsgeschichte, die zum Teil seit Jahrzehnten aufgrund ihres prekären Aufenthaltsstatus (Kettenduldungen) von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind.

Damit findet eine Ethnisierung der Strafverfolgung statt, durch die eine Scheinlegitimation für anti-muslimischen Rassismus entsteht, die in einer Reihe mit den anti-muslimischen Debatten zu den Silvesternächten in Köln oder Berlin zu verstehen ist.

Gleichzeitig wird durch die Maßnahmen gegen die sog. „Clankriminalität“ der Rechtsstaat ausgehöhlt. Denn die in Deutschland geltende individuelle Strafverantwortlichkeit soll für die markierte Gruppe durch Sippenhaftung ersetzt werden: die Polizei arbeitet in NRW mit Listen von Familiennamen, die zu angeblichen kriminellen „Clans“ konstruiert werden. Ganz konkret werden so die Artikel 3, Absatz 3 (das Diskriminierungsverbot aufgrund der Abstammung und Herkunft) und der Artikel 20, Absatz 3 (Unschuldsvermutung) des Grundgesetztes verletzt. In der Konsequenz führt eine „Null-Toleranz“-Politik dazu, dass die Unterscheidung zwischen kriminellen Handlungen und Ordnungswidrigkeiten aufgeweicht wird.

Unter dem Schlagwort einer Politik der „1000 Nadelstiche“ (oder auch Administrativer Ansatz genannt) gehen die Ordnungsbehörden gegen vermeintliche Straftäterinnen dieser Community vor. Dabei wird das Rechtsstaatsgebot sowie die Gewaltenteilung missachtet, indem die Grundlage des Handels der Behörden am Ziel und nicht mehr am Recht orientiert wird, wie der em. Professor Feltes anmerkt. Es schadet vielen Menschen: unseren Nachbarinnen, unseren Freundinnen, die zu Unrecht verdächtigt werden, bloß weil sie einen bestimmten Namen tragen. Es schadet vielen Bewohnerinnen in Essen, die zu Unrecht in Panik verfallen, ihre Nachbarn als Bedrohung wahrnehmen, die sie völlig zu Unrecht als potenzielle Kriminelle sehen, bloß weil sie einen bestimmten Namen tragen oder als muslimisch gelesen werden.

Und ganz besonders schadet es dem Zusammenhalt unserer demokratischen Gesellschaft:
Statt Offenheit, statt der Freude, neue Sitten und Lebensentwürfe kennen zu lernen, verbreiten sich Misstrauen und Ressentiments

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