Wind, Flaute oder Sturm

Neu im Strafgesetzbuch: § 130 Abs.5 StGB

[Update 17.10.2023] Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat auf zwei Seiten zusammenfasst welche demokratiegefährdenden Neuerungen der „Gesetzgeber“ den Paragraphen 130 und 140 angedeihen ließ. In diesen Zeiten muss man auf der „richtigen Seite“ um künftig keine Probleme zu bekommen. Oder diese Rechtsentwicklung auch in der Gesetzgebung bekämpfen:



[Update 17.08.2023] Ermittlungsverfahren eingestellt: Kritik am Antikommunismus ist keine Volksverhetzung — Website (rf-news.de) / „Maulkorb für Kriegsgegner“ – Verfassungsbeschwerde gegen Neufassung von „Volksverhetzung“-Paragraf 130 eingereicht (nachdenkseiten.de)


Der Straftatbestand der Volksverhetzung §130 StGB wurde um einen Gummiparagrafen erweitert. Dazu gab es viel Kritik:

https://taz.de/Verharmlosung-von-Kriegsverbrechen/!5889964/

VERHARMLOSUNG VON KRIEGSVERBRECHEN: Gesetzesverschärfung im Eiltempo Der Bundestag hat das DELIKT DER „VOLKSVERHETZUNG“ VERSCHÄRFT. In einem völlig intransparenten Verfahren.

Weitere Stimmen dazu: Ein neuer Absatz § 130 Abs.5 StGB stellt künftig das öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe, wenn die Tat in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. Darunter können künftig auch Äußerungen fallen, die während einer Versammlung, etwa im Rahmen einer Demonstration, getätigt werden.

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/volksverhetzung-voelkermord-kriegsverbechen-groeblich-verharmlosen-billigen-leugnen-130-stgb-holocaust/

Zusammenhang mit russischem Angriffskrieg? Kriegsverbrechen verharmlosen gilt nun als Volksverhetzung – Union kritisiert „Hau-Ruck-Verfahren“

https://www.rnd.de/politik/kriegsverbrechen-verharmlosen-gilt-nun-als-volksverhetzung-union-kritisiert-hau-ruck-verfahren-FSLEA6766RE5ZE6YXW5HBQB76I.html

Rechtsentwicklung der Bundesregierung — Volksverhetzung : Gesetzesverschärfung im Hauruck-Verfahren Von Markus Wehner, Berlin -Aktualisiert am 27.10.2022-18:56 Wo verläuft die Grenze zur Straftat? Prorussische De

monstranten Anfang Mai auf dem Odeonsplatz in München Im Eiltempo haben Ampel und Union den Paragrafen zur Volksverhetzung erweitert. Künftig ist das „gröbliche Verharmlosen“ von Kriegsverbrechen und Völkermorden strafbar. Die Kritik daran wächst. Es war vor einer Woche am Donnerstag im Bundestag um kurz vor 22.30 Uhr. Die öf­fentliche Aufmerksamkeit da­für, was das Parlament be­schließt, ist um diese Zeit gering. Und die achte Änderung des Bundeszentralregistergesetzes ist ein sehr spezielles Thema. Zusammen damit wurde allerdings eine Änderung des Strafgesetzbuches be­schlos­sen, die nicht banal ist. Der Straftatbestand der Volksverhetzung, geregelt in Paragraph 130 des Strafgesetzbuchs, wird erweitert.
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ukraine-krieg-verschaerfung-der-volksverhetzung-18418835.html (Die FAZ soll auch über die Strafbarkeit von Aussagen über den sogenannten „Holodomor“ spekuliert haben, leider ist das ein Bezahlartikel. Nebenan aber ein Bild aus einem Tweet zu dieser Passage

Auch MLPD und DKP machen sich Sorgen von dieser Gesetzesänderung betroffen zu sein:

Aus unterschiedlichen Gründen:

…/neufassung-des-volksverhetzungsparagrafen-mlpd-dieses-antikommunistische-willkuergesetz-muss-vom-tisch

Pressemitteilung der MLPD

Neufassung des Volksverhetzungsparagrafen – MLPD: „Dieses antikommunistische Willkürgesetz muss vom Tisch!“

Klammheimlich und im Blitztempo peitschte die Ampel-Regierung, unterstützt von der CDU, am Donnerstag letzter Woche eine Neufassung des Volksverhetzungsparagrafen 130 StGB durch den Bundestag.

Freitag,  28.10.2022,  18:00 Uhr

Neufassung des Volksverhetzungsparagrafen - MLPD: „Dieses antikommunistische Willkürgesetz muss vom Tisch!“
(rf-foto)

Erst am Vortag wurde diese Ausweitung ganz nebenbei an eine unscheinbare Neuregelung des Bundeszentralregister angehängt. Absolut undemokratisch und ungewöhnlich! Das kennzeichnet einen bisherigen Höhepunkt der Rechtsentwicklung der Regierung. Es flankiert ihre offene Kriegspolitik nach innen. „Angesichts dessen ist es völlig unglaubwürdig, wenn die Ampel-Regierung behauptet, hier ginge es um eine kleine rechtliche Verbesserung gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Dann hätte man sich die Geheimoperation und das überfallartige Vorgehen sparen können, das auch Teile der bürgerlich-demokratischen Öffentlichkeit empört. Tatsächlich geht es um ein antikommunistisches Willkürgesetz“, so Gabi Fechtner, Parteivorsitzende der MLPD.

Zu Recht ist bereits heute das Leugnen oder Verharmlosen des Holocausts unter Strafe gestellt. Jetzt wird jede Art von öffentlicher Billigung, Leugnung oder gröblicher Verharmlosung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe gestellt. „Das hört sich erst einmal gut an“, so Gabi Fechtner. „Aber losgelöst von einer klar antifaschistischen Ausrichtung ist das ein Freifahrtschein für bürgerliche Gerichte und Staatsanwaltschaften.“

Gabi Fechtner: „Hauptsächlich richtet sich dieses Gesetz gegen die Propagierung und Verteidigung des sozialistischen Aufbaus in früher sozialistischen Ländern. Im Umfeld der dem Gesetz zugrunde liegenden EU-Richtlinie wurde von besonders reaktionären Regierungen Osteuropas gefordert, die sog. ’stalinistischen Verbrechen‘ unter Strafe zu stellen. Völlig willkürlich wird von der bürgerlichen Geschichtsschreibung dem sozialistischen Aufbau jede Art von Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterstellt. Besonders Stalin und Mao Zedong werden von den antikommunistischen Geschichtsfälschern als Massenmörder diffamiert. Wer dem widerspricht und eine differenzierte Würdigung der großartigen Erfolge, aber auch der Probleme und Fehler vornimmt, könnte künftig zu bis zu drei Jahren Haft verurteilt werden? Auf Basis des Antikommunismus bleibt nicht viel übrig vom ‚Recht auf Meinungsfreiheit‘.“

„Damit wird die antikommunistische Ausrichtung des Volksverhetzungsparagrafen auf die Spitze getrieben“, so Gabi Fechtner. „Er richtet sich schon heute nicht vor allem gegen Faschisten, sondern wurde 1871 im Zuge der Sozialistengesetze als Klassenkampfparagraf gegen die Propagierung des revolutionären Klassenkampfs eingeführt. Das Gesetz dient außerdem dazu, künftig Kritik an der psychologischen Kriegsführung der Herrschenden zu kriminalisieren und zu verfolgen. Wir erinnern uns: Die USA begründeten ihren Überfall auf den Irak mit frei erfundenen Kriegsverbrechen und Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein. Wer das künftig leugnet, der geht dann ins Gefängnis? Das kann ja wohl nicht wahr sein.

Dieses antikommunistische Gesinnungsstrafrecht muss vom Tisch. Für ein klares Verbot faschistischer und rassistischer Propaganda.“

Hier gibt es die Pressemitteilung als pdf-Datei

https://www.unsere-zeit.de/russlandversteher-in-gefahr-1853345

Volksverhetzungsparagraph in Nacht-und-Nebel-Aktion verschärft

Russlandversteher in Gefahr

Ralf HohmannCategories Politik | UZ vom 28. Oktober 2022

   

430501 - Russlandversteher in Gefahr - Gesetzesverschärfung, Paragraph 130 StGB, Völkermord, Volksverhetzungsparagraph - Politik

Am 8. und 9. Mai wurde in Berlin mit dem Verbot sowjetischer Symbole schon mal für die Gesetzesverschärfung geübt. (Foto: Rudi Denner / r-mediabase.eu)

Wer Völkermord oder Kriegsverbrechen öffentlich „gröblich“ verharmlost, dem drohen künftig bis zu drei Jahre Haft wegen Volksverhetzung. Die Ampel-Koalition hat am Donnerstag vergangener Woche vorgeführt, wie man ein Gesetz, das die Meinungsfreiheit in außerordentlicher Weise einschränkt, heimlich, still und leise durch den Bundestag bringt. Als gegen 22.30 Uhr der letzte Tagesordnungspunkt („Achtes Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes BZRG – Drucksache 20/4085“) zur Abstimmung aufgerufen wurde, hatten sich die Sitzreihen im Bundestag bereits gelichtet. Gegenstand der angesetzten Kurzdebatte, glaubt man der Überschrift der 17-seitigen Beschlussvorlage, war das Bundeszentralregister. Es regelt die Eintragung und Tilgung von Strafen im Führungszeugnis. Fürwahr kein besonders spannendes Thema, so dass viele Abgeordnete das Papier bestenfalls überflogen haben werden. Drei Wochen vor der Donnerstagssitzung kursierte im Parlament eine Drucksache gleichen Titels – wer sie damals gelesen hatte, konnte davon ausgehen, dass nun eben diese zu vorgerückter Stunde zur Abstimmung stand.

Das Kuckucksei, um dessen Durchsetzung es den Ampelkoalitionären in Wahrheit ging und das sich im vorher in Umlauf gebrachten Gesetzesentwurf nicht findet, wurde am Ende der Drucksache 20/4085 versteckt: Hier war nicht mehr vom Registergesetz die Rede, sondern von etwas, das mit diesem Thema rein gar nichts zu tun hat, nämlich einer Ausweitung des Straftatbestandes der „Volksverhetzung“ (Paragraph 130 Strafgesetzbuch (StGB)). In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hatte der Rechtsausschuss am 19. Oktober noch schnell die Erweiterung des Straftatbestandes der „Volksverhetzung“ an den Entwurf zum BZRG angehängt. „Omnibusgesetz“ nennen das die Parlamentarier – Materien, die sachlich nichts miteinander zu tun haben, werden in einer Beschlussvorlage gebündelt. So fuhr der blinde Passagier namens Paragraf 130 StGB auf dem Ticket der Novelle des BZRG zur Abstimmung. Mit der Stimmenmehrheit der Ampelfraktionen wurde die Neufassung des Volksverhetzungsparagrafen kurz vor dem Sitzungsende um 23.00 Uhr verabschiedet. In Absatz 5 ist jetzt das „öffentliche Billigen, Leugnen und gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe gestellt, wenn die Tat in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören“.

Die Tatmodalitäten entnimmt der Gesetzgeber kurzerhand der Norm, die sich gegen die Leugnung und Relativierung des Holocausts richtet. Mit der Neufassung des Paragrafen 130 wird ein weiteres Kapitel des strafbewehrten Flankenschutzes der herrschenden antirussischen Kriegsrhetorik aufgeschlagen: Schon seit März wurden landauf, landab Ermittlungsverfahren eingeleitet, sei es wegen des „öffentlichen Zeigens“ des „Z“-Symbols, sei es wegen des Mitführens der Sowjetfahne oder der Fahnen der Volksrepubliken Donezk und Lugansk. Der Vorwurf lautete stets: Billigung von Straftaten in Folge der „völkerrechtswidrigen Aggression“ Russlands. Das waren die Vorboten. Wer in Zukunft in Abrede stellt, dass die Separation der Gebiete im Donbass ein „völkerrechtswidriger Landraub“ sei, der billigt oder verharmlost nach der Definition der Regierung und der ihr treu ergebenen bürgerlichen Medien ein Kriegsverbrechen. Wer auf Kriegsverbrechen des ukrainischen Militärs hinweist, relativiert und verharmlost damit gleichzeitig die regierungsamtliche Lesart, dass nur Russen gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen. Weh dem, der behauptet, das Bombardement eines ukrainischen Elektrizitätswerks, das seinen Strom an eine Waffenschmiede liefert, sei nicht völkerrechtswidrig.

Es ist für die strafrechtliche Verfolgung eines „Verharmlosers“ auch völlig unerheblich, ob ein nationales oder internationales Gericht über die Völkerrechtswidrigkeit eines Vorgangs auf dem Kriegsschauplatz bereits entschieden hat. Auf gerichtliche Feststellungen hierzu komme es nicht an, heißt es in der Gesetzesbegründung lapidar.

Über den Autor

Ralf Hohmann

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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