Offener Brief an SPD-Delegierte, mit der Forderung „Nein zu CETA“ zu sagen
Quelle: www.bund.net … 160915_bund_umweltschutz_international_ceta_demokratie_offener_brief.pdf
Offener Brief an SPD-Delegierte, mit der Forderung „Nein zu CETA“ zu sagen
Sechs Organisationen,
BUND, Greenpeace, campact, Deutscher Kulturrat, foodwatch, Mehr Demokratie fordern von den SPD Delegierten des Parteikonvents am Montag in Wolfsburg ein klares Zeichen gegen „CETA“ zu setzen.
18. September 2016
Offener Brief an die Delegierten des SPD‐Konvents: CETA ist eine Gefahr für die DemokratieVerehrte Delegierte des SPD‐Konvents,
bei der Entscheidung über CETA geht es nicht nur um die Frage, ob und in welchem Maße „rote Linien“ überschritten sind. CETA erfüllt in keiner Weise den Anspruch, die Globalisierung „positiv zu gestalten“. Das Abkommen bewirkt vielmehr das Gegenteil. Seine gravierenden Schwächen können wirksam nur durch Neuverhandlungen zwischen der EU und Kanada beseitigt werden. Die vom SPD‐Vorstand vorgeschlagene Durchsetzung der notwendigen Verbesserungen im Laufe des Ratifizierungsprozesses bleibt völlig ungewiss, weil dazu die Zustimmung der kanadischen Seite, des Europäischen Parlamentes, aller EU‐Mitgliedsstaaten und nicht zuletzt einer Mehrheit im Deutschen Parlament erforderlich ist. Wird das Abkommen gar vorläufig angewendet, auch wenn die Investitionsgerichte dabei außen vor bleiben, wird es mit allen anderen gravierenden Schwächen bis zum Ende des Ratifikationsprozesses wirksam sein. Das kann sich über Jahre hinweg ziehen. Wer das Abkommen inhaltlich wirklich verbessern will, darf es deshalb jetzt weder unterzeichnen noch dessen vorläufiger Anwendung zustimmen. Die wesentlichen Defizite des Abkommens sind:
Auch wenn die Richterauswahl eine rechtsstaatliche Verbesserung darstellt: Investoren haben nur Rechte und keine Pflichten. Nach wie vor können Investoren Staaten, Bundesländer und Kommunen durch Schadensersatzklagen von gesetzgeberischen Maßnahmen zum Allgemeinwohl abhalten und damit das „right to regulate“ mittelbar einschränken.
Ausschüsse, die nicht ausreichend demokratisch legitimiert sind, können das Abkommen ohne parlamentarische Zustimmung weiterentwickeln und völkerrechtlich verbindliche Entscheidungen treffen.
Das auf europäischer und deutscher primärrechtlicher Ebene geltende Vorsorgeprinzip ist nicht ausreichend verankert. Diese Tatsache gefährdet bestehende EU‐Gesundheits‐, Verbraucher‐ und Umweltschutzstandards und erschwert deren Weiterentwicklung.
Die öffentliche Daseinsvorsorge auf kommunaler Ebene ist nicht ausreichend vor privaten Wirtschaftsinteressen geschützt.
Das „right to regulate“ wird unverhältnismäßig eingeschränkt, da ohne das Risiko von Handelssanktionen die notwendige Verbesserung von verbindlich vereinbarten Verbraucher‐, Umweltund Gesundheitsschutzstandards nicht mehr möglich ist.
Auch wenn die „regulatorische Kooperation“ freiwillig ist, kann man sich ihr de facto nicht entziehen. Regulierungsinitiativen kommen von Exekutivbehörden, sind beeinflusst von Wirtschaftsinteressen und haben das Ziel, „unnötige Handelshemmnisse“ zu beseitigen. Die Legislative wird geschwächt, die Initiativen werden einseitig durch Wirtschaftsinteressen vorgeprägt.
Die Absicherung und nachhaltige Weiterentwicklung von Umwelt‐ , Sozial‐ und Arbeitsstandards ist nicht verbindlich und einklagbar geregelt. In einem völkerrechtlich verbindlichen Abkommen ist dies ein Rückschritt gegenüber der europäischen und der deutschen Gesetzgebung in welcher Investoren und Unternehmen nicht nur Rechte sondern auch einklagbare Pflichten haben.
Der europäische Kulturbereich wird schlechter gestellt als der kanadische. Die Europäische Union unterwirft die gesamte Kulturwirtschaft nur mit der Ausnahme audiovisueller Dienstleistungen dem CETA‐Abkommen. Demgegenüber nimmt Kanada seine Kulturwirtschaft weitgehend von den Regelungen des Vertrages aus. Bei den sogenannten Liberalisierungsverpflichtungen geht Kanada noch weiter und stellt seine gesamte nationale Kulturpolitik vernünftigerweise unter Schutz.
Fazit: CETA stärkt den ohnehin zu dominanten Einfluss der Konzerne und schwächt die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Spürbare wirtschaftliche Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger sind selbst nach den Prognosen der EU‐Kommission nicht zu erwarten. Die geplante vorläufige Anwendung des Abkommens untergräbt die Demokratie. Es genügt keinesfalls, nur die Investitionsgerichte von der vorläufigen Anwendung auszunehmen. Der Vertrag zeitigt mit der vorläufigen Anwendung nur des Europateils endgültige negative Folgen, ohne dass die nationalen Parlamente zugestimmt haben: Durch die Erosion des Vorsorgeprinzips, die undemokratische Rolle der Ausschüsse, die generelle Einschränkung des „right to regulate“, die Gefahren für die Daseinsvorsorge auf kommunaler Ebene u.v.m.
Dafür dürfen Sie, verehrte Delegierte, nicht verantwortlich zeichnen!
Den Vertrag zu unterzeichnen, vorläufig anzuwenden und auf den Ratifizierungsprozess zu setzen, um die Kritikpunkte auszuräumen, ist eine völlig unsichere Wette auf die Zukunft. Der Ratifikationsprozess kann sich über viele Jahre hinziehen. Während dieser Zeit bleibt der Vertrag, wenn er vorläufig angewendet wird, in seiner jetzigen Form wirksam, mit all seinen negativen Folgen.
Wir sind nicht gegen die Beseitigung von Handelshemmnissen zur Förderung des internationalen Handels. Aber das geht auch anders. Der Preis, den wir mit CETA dafür bezahlen, ist viel zu hoch. CETA öffnet die Tür zu einer neuen demokratie‐, bürger‐ und europafeindlichen Handelspolitik. Wir bitten Sie, verhindern Sie das! Mehr als 300.000 unserer Unterstützerinnen und Unterstützer haben sich unserem Aufruf schon angeschlossen. Machen Sie sich nicht mitverantwortlich und stimmen Sie gegen CETA und dessen vorläufige Anwendung!
Mit freundlichen Grüßen
Hubert Weiger Vorsitzender Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Felix Kolb Geschäftsführer Campact
Olaf Zimmermann Geschäftsführer Deutscher Kulturrat
Thilo Bode Geschäftsführer foodwatch
Stefan Krug Leiter der Politischen Vertretung Greenpeace Deutschland
Roman Huber Geschäftsführender Bundesvorstand Mehr Demokratie