Wind, Flaute oder Sturm

Leserbrief: Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich

Heinz Hammer schrieb einen Leserbrief, der weitgehend in der NRZ abgedruckt wurde. Nur ein Zitat von Brecht fehlte:

»Armer Mann und reicher Mann, / standen da und sahen sich an. / Und der Arme sagte bleich: / Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich.«

Betreff: »Arme Stadt für Millionäre – Weltweit steigt der Reichtum der Wohlhabenden – auch zwischen Bredeney, Kettwig und Werden, wo mehr Einkommensmillionäre gezählt werden« von Nikolaos Georgakis in NRZ, 20.07.11

Herr Georgakis leitet seinen bemerkenswerten Artikel über die Zunahme von Einkommensmillionären in Essen von 87 auf 153 binnen drei Jahren (2004 – 2007) mit dem Hinweis ein, dass die Erkenntnis, wonach die Reichen immer reicher würden, »wie eine altlinke Kampffloskel« klinge, es aber tatsächlich so sei. Im Lokalteil derselben NRZ-Ausgabe (»Die hausgemachte Öko-Katastrophe« von Jörg Maibaum) wird berichtet, dass die notwendige Sanierung der maroden Obdachlosensiedlung in Überruhr seit mindestens drei Jahren verschleppt wird und die Menschen dort unter unwürdigen, ja gesundheitsgefährdenden Bedingungen zu hausen gezwungen werden.
Da klingt es nachgerade wie Hohn, wenn Essens Stadtsprecher Detlef Feige betont: »Wir freuen uns über jeden einzelnen« (Einkommensmillionär)!
Herr Georgakis hat zwar zurecht konstatiert, dass auch in Essen die Reichen immer reicher werden, zugleich aber vergessen darauf hinzuweisen, dass eben auch die Armen immer ärmer werden.
Denn: Ebenfalls in derselben NRZ Ausgabe, auf den Seiten 1 und »Politisches Magazin« wird berichtet, dass selbst das konzernnahe »Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung« konstatieren musste, dass im vergangenen Jahrzehnt die Löhne der Geringverdiener um fast ein Viertel gesunken sind. In dem Artikel »Mangelnde Wertschätzung« von Peter Hahne heißt es treffend: »Wer viel hat, dem wird gegeben, wer wenig hat, dem wird genommen.«
Da lugt der alte Brecht um die Ecke, der nicht oft genug zitiert werden kann:
»Armer Mann und reicher Mann, / standen da und sahen sich an. / Und der Arme sagte bleich: / Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich.«
Es ist längst überfällig, diese nicht mehr hinzunehmenden Zustände zum Tanzen zu bringen. Die Millionen Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo, dem Puerta del Sol – Platz in Madrid, dem Syntagma – Platz in Athen zeigen, dass die antikapitalistischen Erkenntnisse zwar links, aber gar nicht so »altlinks« sind. Auf dem Kennedyplatz z.B. würden für den Anfang doch auch schon ein paar Tausend Menschen, die für ihre eigenen Interessen eintreten, Platz finden.

Heinz-W. Hammer, Essen

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