Sparhaushalt

Wo Sparhaushalte und Bürgerbeteiligung zusammen kommen, gehen die Meinungen darüber auseinander.

Beschluss der Mitgliederversammlung der LINKEN Essen am 14. Januar 2009 zum Bürgerhaushalt.

Bürgerhaushalt stärkt Teilhabe und Transparenz
Kreisverband DIE LINKE. Essen für Kommunalpolitik von unten

Der Kreisverband DIE LINKE Essen spricht sich für die Einführung eines Bürgerhaushaltes in Essen aus und begrüßt den entsprechenden Vorschlag des Seniorenbeirates. Für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei der Aufstellung des Haushaltsplans gibt es viele gute Argumente. Ein Bürgerhaushalt kann

  • einen Kernbereich der kommunalpolitischen Entscheidungen offenlegen und transparent machen
  • direkte Teilhabe eröffnen und Möglichkeiten zur Einflussnahme von unten schaffen
  • es allen sozialen Schichten und Kräften der Stadt Essen ermöglichen, sich einzubringen
  • Politik und Verwaltung deutlich machen, was die Menschen wirklich wollen
  • Protest und Widerstand gegen eine unsoziale Kommunalpolitik, wie z.B. den ursprünglichen Masterplan Sport stärken
  • ein wichtiger Schritt zur Demokratisierung der Kommunalpolitik sein.
  • Aber nicht jedes Modell ermöglicht eine breite Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger. Der Kreisverband DIE LINKE. Essen lehnt deshalb Modelle ab, die allein auf Haushaltskonsolidierung zielen, wie sie durch die Bertelsmann-Stiftung entwickelt wurden. Sie waren in der Praxis durch zu geringe konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten wenig erfolgreich. DIE LINKE. Essen ist dafür, einen Prozess zur Einführung eines Bürgerhaushaltes und eines Modells mit breiter Beteiligung und Transparenz einzuleiten und will hierzu alle Möglichkeiten wahrnehmen, Bündnisse zu schaffen. Die Erfahrungen bei der Einführung der Bürgerhaushalte in anderen Städten zeigen, dass ein breiter Konsens wichtig für die erfolgreiche Umsetzung ist. In dieser Frage sollten alle Parteien und die Verwaltung an einem Strang ziehen. Ein erster Schritt könnte es sein, Beteiligung bei den Bezirkshaushalten zu ermöglichen.

    Der Kreisvorstand wird beauftragt, eine Diskussionsveranstaltung zu dem Thema zu organisieren. ( Von der Kreismitgliederversammlung DIE LINKE. Essen am 14.1. 2009 einstimmig angenommen.)


    Aus einer Diskussionsveranstaltung in der Zeche Carl am 23. März 2009 mit Jörg Detjen (Ratsfraktion DIE LINKE KÖLN)

    In Essen hatte der Seniorenbeirat die Ratfraktionen aufgefordert, sich um einen Bürgerhaushalt zu bemühen und somit eine Forderung, die die linke Fraktion schon in ihrer Gründungserklärung gestellt hatte, aufgegriffen. Der Stadtrat hat dann die Verwaltung der Stadt Essen aufgefordert, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen.

    . . Bündnis für alternative, unabhängige und fortschrittliche Kommunalpolitik
    www.essen-steht-auf.de 23. März 2009

    Essen steht AUF formulierte eine deutliche Ablehnung des konkreten Bürgerhaushaltes

    Warum sich Essen steht AUF nicht an einer Initiative zur Einführung eines „Bürgerhaushalts“ in Essen beteiligt.

    „Essen steht AUF“ steht für eine Beteiligung der Bürger gerade an Haushaltsfragen im Sinne einer Erweiterung demokratischer Rechte und Freiheiten. Wir haben in diesem Sinne in unserer Fraktionsgemeinschaft LINKE/DKP/AUF dem Ziel einer Bürgerbeteiligung am Haushalt zugestimmt. Wir haben in diesem Sinne auch die Bürgerbegehren und Bürgerentscheide 2007 von ganzem Herzen unterstützt.

    Bei allen Wünschen nach direkter Demokratie sollte man aber die Tatsachen nicht aus dem Auge verlieren: Der jetzt in Essen anvisierte Bürgerhaushalt, ausgerechnet auch von Schwarz-Grün gefordert, folgt einem ganz anderen Modell.

    In Deutschland wird unter der Marke „Bürgerhaushalt“ nachweislich von der Bertelsmann-Stiftung etwas auf den Weg gebracht, das diesen Namen nicht verdient und von uns nicht mit getragen werden kann. Bereits 1998 wurde gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung und KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement) über die „Kommunen der Zukunft“ beratschlagt. Aus diesem Projekt ging das gemeinsame Projekt der Bertelsmann-Stiftung und des NRW-Innenministeriums „Kommunaler Bürgerhaushalt“ 2000-2004 hervor. Dieses Projekt wurde anschließend in Köln ausdrücklich übernommen und angewendet, auch in Essen soll das so sein.

    Die Bertelsmann-Stiftung hat sich amerikanischen Vorbildern entsprechend zu der Think Tank = Denkfabrik Europas gemausert. In allen bedeutenden sozial-, bildungs- und sicherheitspolitischen Gremien Europas sitzen Gutachter der Bertelsmann-Stiftung, und die meisten einschlägigen Entscheidungen lassen ihre Handschrift erkennen. Das für uns geläufigste Bertelsmann-Produkt dieser Art sind die Hartz-IV-Gesetze.

    „Ein Konzern stiftet Politik“ heißt ein kritisches Buch von Arnold Klönne und anderen: Mit einem Jahresetat von rund 60 Mio Euro und 300 Mitarbeitern in über 100 Projekten in einem Internationalen Netzwerk. Die Stiftung bringt Geld mit statt sich Beratung zahlen zu lassen – sehr verlockend für klamme Kommunen.

    Damit nicht offen bleibt wes Geistes Kind sie ist: Im Kuratorium der Bertelsmann-Stiftung sitzen Vertreter der internationalen Monopole wie Siemens, Telekom, Nestle, eon, Ruhrkohle, Allianz, Metro, Aventis, ZDF, Ufa und andere. Gleichzeitig hält die Stiftung über 75% der Bertelsmann-Aktien und betreibt mit ihrer Gemeinnützigkeit legale Steuerhinterziehung. Mit ihrer Tochter Arvato ist Bertelsmann längst im lukrativen Markt der Privatisierung kommunaler Einrichtungen zu einem Marktführer geworden.

    „Von den Kulturministerien bis zum Kanzleramt, von den Kommunalverwaltungen bis zum Amt des Bundespräsidenten gibt es kaum eine politische Behörde, die nicht mit der Stiftung kooperiert.“

    So schreibt das erwähnte Buch und beweist es auch.

    In dem Projekt-Abschlussbericht der Bertelsmann-Stiftung heißt es zu der in Essen spannenden Frage „Was nutzt ein Bürgerhaushalt, wenn die Kommune kaum noch finanziellen Spielraum hat?“

    Zitat:
    „Viele Kommunen sind gezwungen, ihren Haushalt zu konsolidieren, Einsparungen vorzunehmen und genau zu prüfen, wo investiert werden kann. Gerade in diesem Prozess hilft ein Bürgerhaushalt, Prioritäten mit den Bürgern zu diskutieren. Die Erfahrungen der Projektkommunen haben gezeigt, dass das Verständnis der Bürger für die schwierige Haushaltslage und die damit verbundenen unbequemen Sparmaßnahmen eindeutig gestiegen ist.

    Mehr noch: Ein konkretes Ergebnis des Bürgerhaushalts in Vlotho war die Gründung eines Fördervereins, um den Zuschussbedarf für das Waldfreibad zu finanzieren. In Emsdetten waren die Bürger sogar bereit, Steuererhöhung für den Haushaltsausgleich in Kauf zu nehmen.“

    Allen gutgemeinten Vorsätzen zum Trotz betrifft diese Antwort den Kern der Sache. Ausdrücklich wird in dem Abschlussbericht festgehalten, dass der Bürgerhaushalt „kein Instrument der direkten Demokratie“ sei. Eine Einteilung in gute und schlechte Verwirklichung von Bürgerhaushalten ist deshalb – so hart das klingen mag – Augenwischerei.

    Essen steht AUF ist nicht bereit, sich an einem Projekt zu beteiligen, mit dem die Essener Bürgerinnen und Bürgern für die weitere drastische Umverteilungspolitik zu ihren Lasten gewonnen und sogar beteiligt werden sollen.

    Wie sieht das in Köln aus? Auch der Beschluss im Kölner Stadtrat 2004 wurde damit begründet, dass wegen der schlechten Haushaltslage die Bürger in den Entscheidungsprozess einzubeziehen seien (Kölner Stadtanzeiger, 21.2.06)

    Mit 8-9 Mio bewegt sich der Vorschlagsrahmen in sehr bescheidenen Größenordnungen des 3-4 Mrd-Haushaltes, ist auch in der Thematik sehr eingegrenzt auf Sport, Grünflächen, Wege, und in der Methode auf das Internet. In Köln haben die Beteiligten am Bürgerhaushalt ein eindeutiges Votum für den Erhalt und Sanierung verschiedener Schwimmbäder gegeben. Im November 2008 musste die Linke im Rat zum Bürgerhaushaltsbeschluss Erhalt des Schwimmbad Nippes feststellen:

    „Das Bad gammelt den Schwimmerinnen und Schwimmern unter der Badehose weg. Die Attraktivität sinkt. Und Schlimmeres droht: Bäder-Geschäftsführer Schmitt war auf einer Protestveranstaltung im Schwimmbad Nippes am 24. Oktober anwesend und sprach davon, dass man auch nicht ausschließen könne, dass das Bad aus baupolizeilichen Gründen irgendwann geschlossen werden müsste. Ist so die Formulierung „betriebsfähig offenhalten“ aus dem Ratsbeschluss zu interpretieren?

    Das wäre eine schlichte Veralberung der Nutzerinnen und Nutzer. Durch den massiven Widerstand in allen betroffenen Stadtteilen ist im letzten Jahr die schon beschlossene Schließung der Bäder verhindert worden. Doch der Ratsbeschluss vom Januar scheint für viele hier im nur ein Mittel zu sein, um sich der offenen Debatte zu entziehen und sich über die Wahlen zu retten.“

    Eine Veralberung der Bürgerinnen und Bürger – in Köln gibt es auch Stimmen, die von „Spielwiese“ oder „Verarschung“ reden. Es ist gut, dass die Linksfraktion in Köln dies anprangert, aber liegt es nicht in der Natur der Sache?

    Anders als in Köln sieht es in Berlin-Lichtenberg aus. Ich möchte unsere Freunde von der Linkspartei in Essen, wenn ihr euch ein Projekt wie den Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg zum Vorbild zu nehmen wollt, doch auf etwas hinweisen: Die Linkspartei sitzt in Berlin in der Regierung und hat dort einen Haushalt beschlossen, der zutiefst unsozial ist, und hält sich als Feigenblatt den Lichtenberger Bürgerhaushalt davor. Was für eine Politik ist das?

    Wir stecken in der tiefsten Weltwirtschaftskrise seit dem II. Weltkrieg – die Talsohle ist noch nicht erreicht. Es wird zu noch weitaus drastischeren Maßnahmen zur Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung kommen. Soll sie sich da einbinden lassen im Sinne von Bertelsmann und Co? Wir meinen Nein. Die einzige Alternative ist, den gemeinsamen Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten aufzunehmen.
    Dietrich Keil, Ratsherr

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