Essen.2030 Dialog-Bus: bezahlbare Vorschläge für eine lebenswerte Stadt
[Update 30.9.2012]
Zur Zeit kursieren viele Unterschriftenlisten: Gegen die Kürzung bei der VHS, gegen Personalabbau in Bibliotheken, auch für den Erhalt des Freizeitbades „OASE“ waren schon viele Unterschriften gesammelt worden.
Und gestern berichtete ich an dieser Stelle, dass ich mich mit dem Ausfüllen bunter Karten beim „Dialog-Bus“ am „Strategieprozess Essen.2030“ beteiligt hatte. Wird jetzt „Alles Gut“? Natürlich nicht. Dietrich Keil von Essen Steht AUF hatte in einer Rede am 26.9 im Stadtrat die ganze Kritik an diesem „Strategieprozess Essen.2030“ zusammen gefasst:
„Der Prozess steht in krassem Widerspruch zur tatsächlichen Situation und Politik in Essen“.
und an drei Beispielen die Unverbindlichkeit aller Worthülsen offen gelegt. „Wie glaubwürdig ist das in einer Stadt, die mit ihren Töchtern mit über 4,5 Milliarden bei den Banken verschuldet ist?“ Ich schrieb, dass meine Vorschläge „bezahlbar“ seien. Das entspringt einem gewissen Trotz: Sie wären bezahlbar, wenn die Stadt nicht so verschuldet wäre.
Deshalb ist Dietrich Keils Kritik am „Strategieprozess Essen.2030“ als notwendige Ergänzung zu diesem Beitrag jetzt unten angefügt.
Olaf Swillus.
[29.9.2012]
Heute am Samstag, den 29.9 war von 10 bis 12.30 Uhr auf dem Rüttenscheider Markt der Essen.2030 Dialog-Bus. Auf bunten Karten konnten Vorschläge für ein besseres Leben in der Stadt geschrieben werden. Also schrieb ich meine Vorschläge auf. Sie wären alle bezahlbar, wenn der Reichtum der Gesellschaft besser verteilt wird:
Familien & Freizeitbad Oase wiedereröffnen. www.freunde-der-oase.de
Es gibt viele Orte wo das möglich sein könnte. Z.B. das Netz der Stadtteilbibliotheken erhalten und ausbauen. Für Einwanderer Bücher in leichtem Deutsch, Behörden-Infos. Für Kinder Kinderbücher … Öffnungszeiten auch an Samstagen, statt Sonntagsöffnung von Geschäften.
Das Angebot der VHS-Essen erweitern. Mehr Mittel für Mitarbeiter einstellen
[Dietrich Keils Kritik am „Strategieprozess Essen.2030“ als notwendige Ergänzung zu diesem Beitrag (Update 30.9.2012)]
Dietrich Keil von Essen Steht AUF hatte am 26.9.2012 im Stadtrat Kritik am „Strategieprozess Essen.2030“ geäussert: Hier ist seine Rede dazu dokumentiert:
Dietrich Keil, Essen steht AUF
Rat 26.9.2012 – TOP 10:
Kritik am „Strategieprozess Essen.2030“.
Gerade hat der der Oberbürgermeister in seiner Haushaltsrede vom Strategieprozess 2030 berichtet. Ja, Visionen und strategische Überlegungen sind wichtig.
Aber diesen von einem der größten deutschen Unternehmensberater gesteuerten und von der Essener Wirtschaft finanzierten Strategieprozess kann ich nicht ohne deutliche Kritik zur Kenntnis nehmen.
Dass wir Essens Zukunft in diese Hände legen, diesen Widerspruch habe ich hier schon geäußert.
Meine hauptsächliche Kritik ist: Der Prozess steht in krassem Widerspruch zur tatsächlichen Situation und Politik in Essen.
Die Frage ist, bleiben die schönen Visionen, denen man die Medienprofis anmerkt, Worthülsen oder nicht?
Konkrete Weichenstellungen für eine lebenswertere Stadt lassen sie jedenfalls nicht erkennen. Lesen Sie das doch bitte mal kritisch: Je schmissiger die Formulierungen, desto unverbindlicher der Inhalt.
Das ist ja auch der Sinn solcher Berater-Texte – sich möglichst einprägsam auf möglichst wenig festzulegen.
Daran liegt es auch, wenn die WAZ eine seltsame Blässe dieses Prozesses für die Bürger feststellt, die darauf nicht richtig anspringen, trotz bunter Kärtchen, Infostände, Internet usw. Das ist wirklich kein Wunder. Die Menschen wissen und spüren doch genau, wie gleichzeitig überall gestrichen und gekürzt wird, und in Essen die Lebensqualität sinken statt steigen wird mit dem Konsolidierungskurs. Dass ihnen dann dieses abgehobene Konzept eher wie Hohn vorkommt – wer will es ihnen verdenken.
Zum Beispiel heißt es unter dem Titel
Essen. Urban: „Das direkte Lebensumfeld wird eine Nachbarschaft der kurzen Wege sein“.
Das ist schön. Tatsächlich sollen aber 6 von 9 Bürgerämtern geschlossen werden. Statt sie z.B. zu dezentralen Bürgerzentren weiter zu entwickeln, mit vielfältigen Angeboten, mit welcome-Funktionen für Neubürger usw. Das wäre eine Vision für die Bürger, statt Streichungspolitik gegen sie.
Oder: Unter dem Titel Essen.Erfolgreich heißt es: „Das Erfolgsrezept ist ganz einfach. Essens Wirtschaft und Bevölkerung bleiben eng verbunden“. Das ist doch Wortgeklingel. In Essen gibt es ganze Viertel, die nicht durch diese Verbindung, sondern von der fast aussichtslosen Trennung vom Broterwerb in der Wirtschaft geprägt sind. Das ist doch die Wirklichkeit: Fast 1000 Stellen weg bei der Stadtverwaltung, tausende bei RWE und anderen Essener Konzernen. Für 2030 brauchen wir eine positive Vision, Arbeitsplätze nicht zu vernichten, sondern zu schaffen durch Arbeitszeitverkürzung! Und eine höhere Ausbildungsquote gerade bei der Stadt und ihren Beteiligungen.
Stattdessen geht es unter dem Titel Essen.Talentiert ganz offen nur um die „Eliten“. Die Rede ist von Aufstiegsplätzen bei internationalen Konzernen und global denkenden Mittelständlern, von Chancen für „Young Professionals“ und Führungskräfte und so weiter. Das ist krass an der Lebenswirklichkeit dieser Stadt vorbei. Für die heute schon Abgeschriebenen und ins Hartz-IV-Leben Abgeschobenen hat dieses Strategiekonzept kein Wort übrig. Statt in die Bildung für alle, in wirklich ausreichende Kitaplätze und moderne Ganztagsschulen, in VHS und Bibliotheken zu investieren, wird hier gekürzt und gestrichen. Eine kalte, herzlose Strategie für unsere Jugend ist das.
Diese drei Beispiele kennzeichnen eine bedenkliche Kritiklosigkeit des Strategieprozesses 2030 nach dem Motto Alles wird gut. Es gibt es keine Defizite, keine Probleme und schon gar keine selbstkritischen Töne. Wie glaubwürdig ist das in einer Stadt, die mit ihren Töchtern mit über 4,5 Milliarden bei den Banken verschuldet ist?
Ohne kritisches Hinterfragen der konkreten Wirklichkeit wird sie sich nicht ändern. Das fehlt diesem glatten Mainstream-Konzept – das muss nachgebessert werden.