27. Januar – Gedenken an die Befreiung von Auschwitz
Die VVN-BdA rief am Donnerstag, den 27. Januar 2011, um 17.00 Uhr, vor der Geschäftsstelle der FDP Essen, zu einer Gedenk- und Mahnkundgebung auf:
„27. Januar – Gedenken an die Befreiung von Auschwitz. Wer der Opfer gedenkt, muss auch die Täter benennen.“
Vor 66 Jahren wurde das Vernichtungslager Auschwitz befreit. Die sowjetischen Truppen trafen nur noch auf 7000 zurückgebliebene schwerstkranke Häftlinge. Der überwiegende Teil der bis dahin überlebenden Häftlinge war bereits von der SS auf den Todesmarsch westwärts getrieben worden. Viele von ihnen kamen noch in den letzten Kriegsmonaten auf den Todesmarsch oder in anderen Konzentrationslagern ums Leben. Die eigentliche Befreiung durch die Alliierten war am 8. Mai 1945. Den Befreiern von Auschwitz, der Roten Armee, boten die Hinterlassenschaften einer Tötungsmaschinerie, in der Menschen massenweise industriemäßig vernichtet wurden, ein Bild des Schreckens.
Aus Essen wurden allein 2108 jüdische Menschen in die Konzentrationslager verschleppt und dort ermordet. Wir wollen auch in diesem Jahr anlässlich des Jahrestages der Befreiung von Auschwitz ihrer gedenken. Angehörigen der Opfer und engagierten Essener Bürgern ist es zu verdanken, dass bereits eine Anzahl der ermordeten jüdischen Bürger aus ihrer Anonymität geholt wurde, dass Stolpersteine an vielen Orten in Essen an sie erinnern.
In diesem Jahr wollen wir am 27. Januar nicht nur der Opfer der faschistischen Verbrechen gedenken, sondern auch an die Täter erinnern. Eine große Zahl der an Kriegsverbrechen Beteiligten hat nach 1945 in der Bundesrepublik unbehelligt gelebt. Niemals sind sie gerichtlich für ihre Taten belangt worden. Im Gegenteil: wichtige Funktionsträger des Naziregimes, nahmen in der BRD einflussreiche Positionen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens ein, an höchsten Stellen in Regierung, in Parteien, Ministerien, in der Justiz, in der Wirtschaft, in den Verwaltungen, in den Bildungsstätten.
Einer dieser NS-Täter war der Nazi-Diplomat und spätere FDP-Politiker Dr. Ernst Achenbach aus Essen. Der Jurist Dr. Ernst Achenbach war von 1940 bis 1943 engster Mitarbeiter des deutschen Botschafters in Frankreich, Otto Abetz. In seiner Eigenschaft als Botschaftsrat, später Gesandtschaftsrat an der deutschen Botschaft in Paris leitete Ernst Achenbach die Politische Abteilung. Er war mit verantwortlich für „Judenfragen“ und für die Deportation jüdischer Menschen aus Frankreich. Aus dem von der deutschen Wehrmacht besetzten Frankreich wurden 73.000 Kinder, Frauen und Männer jüdischer Herkunft direkt nach Auschwitz deportiert. Die meisten wurden nach der Ankunft sofort vergast.
Auch Ernst Achenbach wurde in der Bundesrepublik niemals gerichtlich zur Verantwortung gezogen. Seine Mitwirkung an den Nazi-Verbrechen war für die FDP kein Hinderungsgrund, ihn in den Landtag, in den Bundestag und später ins Europaparlament wählen zu lassen. Seine Mandate konnte er vor allem dazu nutzen, immer wieder erfolgreich die Verfolgung von NS-Verbrechen zu verhindern. Hätte es nicht massive Proteste, insbesondere von Beate und Serge Klarsfeld gegeben, wäre Ernst Achenbach in den 70er Jahren sogar zum Europakommissar ernannt worden.
Die VVN-BdA stellte im Juni letzten Jahres einen Antrag an den Rat der Stadt Essen, eine Mahntafel an der Geschäftsstelle der FDP in der Seidlstraße anzubringen als Mahnung, damit solche Verbrechen nie wieder zugelassen werden.. Die im Auftrag des Auswärtigen Amtes erarbeitete Studie „Das Amt und die Vergangenheit“* zeigt die verbrecherische Rolle der Diplomaten in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten auf und benennt Ernst Achenbach als einen der Täter. Doch der Stadtrat hat sich geweigert, sich mit dem Antrag der VVN-BdA überhaupt zu befassen.
Als Schlussfolgerung aus der Studie über die verbrecherische Rolle des Auswärtigen Amtes sieht der FDP-Politiker Gerhard Baum die Notwendigkeit der Aufarbeitung der Nazivergangenheit seiner Partei. Es sei an der Zeit, dies nachzuholen erklärte er gegenüber Frontal21 vom 16.11.2010. Diese Auseinandersetzung hat es in der Essener FDP bis heute nicht gegeben, zumindest nicht öffentlich.
Die VVN-BdA ruft die Essener Bevölkerung auf, am 27. Januar 2011 der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken und gemeinsam mit uns symbolisch vor der Geschäftsstelle der Essener FDP eine Mahntafel anzubringen mit einem Text, der auf die Mitwirkung von Ernst Achenbach an der Deportation von Juden aus Frankreich in die Vernichtungslager hinweist. Der Text soll deutlich machen, dass Ernst Achenbach seine einflussreichen politischen Mandate in der FDP dazu nutzte, NS-Verbrecher vor Strafverfolgung zu schützen. Die Tafel soll an die Täter erinnern als Mahnung, damit solche Verbrechen nie wieder zugelassen werden.
Wer der Opfer gedenkt, darf nicht vergessen, dass es zahllose Täter gab. Die Mehrheit von ihnen blieb straffrei.
* Eckart Conze/Norbert Frei/Peter Hayes/Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, Blessing Verlag München 2010
Zur Seidlstraße kommt man vom S-Bahnhof Süd über die Brücke Richtung Rellinghausen, 2. Straße links in die Henricistraße, rechts Seidlstraße.
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