Mobilität und soziale Teilhabe sind Grundrechte

sozialticket_antworten_auf_fragen_anhoerung_111108

AKOPLAN – Institut für soziale u. ökologische Planung e.V., Dortmund Ansprechpartner: Heiko Holtgrave

„Mobilität und soziale Teilhabe sind Grundrechte – Ein landesweites Sozialticketvist eine Notwendigkeit“
Antrag der Fraktion Die Linke im Landtag, Drucks. 15/1682

Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Integration sowie des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr am 8. November 2011

Stellungnahme von AKOPLAN
Vorbemerkungen

Akoplan beschäftigt sich schon seit etlichen Jahren mit Fragen der Mobilität unter Armutsbedingungen und mit den verschiedenen Sozialticket-Modellen.

Mit dem Begriff „Sozialticket“ ist die Idee verbunden, Menschen, die aufgrund von Armut benachteiligt sind, nicht noch durch – für sie nicht erschwingliche – Fahrpreise in den öffentlichen Verkehrsmitteln vom sozialen Leben unseres Gemeinwesens abzuschneiden.

Auch wenn die Vernetzung vermittels moderner Medien weiter voranschreitet, kann und darf dies die räumliche Mobilität nicht ersetzen.

Räumliche Mobilität ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine aktive – oder auch nur passive – Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Die Notwendigkeit der Teilhabe ist auch durch langjährige Rechtsprechung zum BSHG und später zum SGB II anerkannt. Zum erforderlichen Umfang gibt es verschiedene Auffassungen. Aus unserer Sicht muss unabhängig von Einkommen und Alter der Betreffenden zumindest die Beweglichkeit innerhalb der eigenen Stadtgrenzen sichergestellt sein. Und zwar ohne tages- und jahreszeitliche Einschränkungen, und ohne Einschränkungen bezüglich der Fahrtenhäufigkeit.

Da im ländlichen Raum die nötigen Wege eher noch länger sind, andererseits aber gerade hier das öffentliche Verkehrsangebot meist recht mager ausfällt, gelten für Landkreise entsprechend höhere Anforderungen an eine Grundversorgung im Bereich Mobilität. Dies hat auch die Landesregierung durch die Vorgabe in ihren Richtlinien anerkannt, wonach Vorkehrungen zur Sicherstellung der Mobilität von Einkommensschwachen die gesamte Fläche des Kreises einzubeziehen haben.

In der wissenschaftlichen Diskussion bürgert sich immer mehr der Begriff der „Mobilitätsarmut“ ein, der für eine verminderte Chance zur Verwirklichung individueller Mobilitätsbedürfnisse steht, was wiederum zu Benachteiligungen in anderen Bereichen gesellschaftlichen Lebens führt oderzumindest leicht beitragen kann. (1 s. hierzu insbesondere Diana Runge, Mobilitätsarmut in Deutschland?, IVP-Schriften 06, hrsg. Vom Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung der TU Berlin, Berlin 2005 auch: „Teilhabe zu ermöglichen bedeutet Mobilität zu ermöglichen“, Diskussionspapier, hrsg. von derAbteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, Juni 2009) Welche Größenordnung der mangels Kaufkraft unbefriedigte Mobilitätsbedarf auch in NRW haben dürfte, wurde schlaglichtartig im Zuge des Dortmunder Sozialticket-Modells Anfang 2008 bis Anfang 2010 deutlich: Zu dieser Zeit bot die Stadt Dortmund Transferleistungsbeziehern ein Monatsticket zum Abo-Preis von 15 € an. Innerhalb der 2-jährigen Laufzeit generierte dieses Angebot rund 15 Millionen zusätzliche Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln.(2 Zu Einzelheiten s. unten, Fragen 12 und 4)

Dieser BEDARF – von Erwerbslosen, RentnerInnen und anderen Personengruppen mit geringem Einkommen – an Verkehrsdienstleistungen bleibt unter normalen Umständen, wo es vorrangig um Wirtschaftlichkeit der Angebote geht, UNSICHTBAR.

In zunehmenden Masse verbindet sich mit Erwerbslosigkeit bzw. Alter auch Einkommensarmut. Der Anteil an Arbeitslosen, die noch Versicherungsleistungen nach dem Arbeitsförderungsrecht (SGB III) erhalten, sinkt Jahr für Jahr. Bei den Renten in der gesetzlichen Altersversicherung beträgt die durchschnittliche Eintrittsrente (Neurentner) mittlerweile nur noch 703 € (NRW). Und bei Frauen noch mal deutlich weniger, nämlich 481 € im Monat. Vor diesem Hintergrund spielen die Grundsicherungssysteme und ihre Leistungen eine immer größere Rolle.

Eigentlich müssten die Leistungssätze in den gesetzlichen Sicherungssystemen auch eine Grundversorgung im Bereich Mobilität hergeben. Das Problem entsteht erst dadurch, dass die Sätze nicht den im Öffentlichen Nahverkehr üblichen Preisen angepasst sind und nicht mit den Preissteigerungen im ÖPNV mitwachsen. Der aktuelle Bedarfssatz für die Nutzung von Verkehrsmitteln des Nah- und Regionalverkehrs beträgt für einen alleinstehenden Erwachsenen 18,41 € im Monat, bei Eheleuten bzw. Lebenspartnerschaften, Kindern und Heranwachsenden sogar nur anteilig.

Der gesetzliche Regelsatz ist nicht nur in diesem Detail wirklichkeitsfremd, sondern u.E. auch vom Gesamtbetrag her unzureichend, und zwar quer über alle Altersgruppen. Dies wiederum hat zur Folge, dass kaum Dispositionsspielräume in der Mittelverwendung bestehen. Die Preiselastizität (der Nachfrage) ist in diesem Kundensegment also sehr hoch. Insofern markieren die 18,41 € zumindest für das Gros der Sozialleistungsbezieher auch eine preisliche Obergrenze.
Es ist durchaus nicht selbstverständlich, bei der Mobilität von einkommensschwachen Haushalten immer gleich in öffentlichen Verkehrsmitteln zu denken. Aber erstens handelt sich – anders als beim MIV – um eine umweltfreundliche Mobilität. Und zweitens geht auch der Sozialgesetzgeber davon aus, dass Menschen bzw. Haushalte, die im Bezug von Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung stehen, keinen PKW haben und ihren Mobilitätsbedarf, soweit nötig, mittels öffentlicher Verkehrsmittel erledigen sollen. Auch auf diesem Hintergrund kommt den öffentlichen Verkehrsleistungen eine besondere Bedeutung zu.

Wenn räumliche Mobilität unabdingbare Voraussetzung für eine aktive wie passive Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Leben ist, dann gehört der ÖPNV somit zu den Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, ähnlich der Versorgung mit ausreichend Schulen oder Kindertagesstätten.

Daniel Kreutz hat für den SoVD bei der Anhörung im April 2009 zu Recht darauf hingewiesen, dass „Sonderregelungen für Bedürftige“, wie sie Sozialtickets oder Sozialtarife darstellen, immer nur die „zweitbeste“ Lösung sein können. Er schrieb in seiner Stellungnahme: ( Stellungnahme des Sozialverbands Deutschland (SoVD) v. 9.4.2009 zu den Anträgen der Fraktionen der
SPD (Ds. 14/7664) und Bündnis 90/Die Grünen (Ds. 14/7644) zum Thema „Sozialticket“. Das Zitat stammt von S. 5 der schriftlichen Stellungnahme. Hervorhebungen durch D. Kreutz.)

>>Einrichtungen der Daseinsvorsorge sollten grundsätzlich für alle BürgerInnen in gleicher Weise zugänglich und nutzbar sein, ohne dass dabei nach dem sozialen Status der NutzerInnen unterschieden wird. (…) Grundsätzlich wäre deshalb erstrebenswert, dass der öffentliche Personenverkehr ohne Barrieren bei Preisen, Gestaltung und Ausstattung allen Menschen zu gleichermaßen günstigen Konditionen zur Verfügung steht.<< Nur: Davon sind wir weit entfernt. Zu Ihren Fragen: 1.Ist es aus Ihrer Sicht Aufgabe der Landespolitik, hinsichtlich der Mobilität in NRW vergleichbare Verhältnisse in allen Bevölkerungsschichten zu schaffen und zu gestalten? Das Land hat im Rahmen seiner Möglichkeiten die Pflicht, für gleichwertige Lebensverhältnisse im Land zu sorgen. Hierzu gehört auch die Bereitstellung öffentlicher Verkehrsleistungen. Das ÖPNV-Gesetz verpflichtet das Land dazu, „in allen Teilen des Landes eine angemessene Bedienung der Bevölkerung durch den ÖPNV zu gewährleisten“. Dass damit u.a. auch „nutzerfreundliche Tarife“ gemeint sind, wird im gleichen Absatz klargestellt. Wenn ein Angebot zwar vorhanden, die Preise für seine Inanspruchnahme aber nicht von allen Bevölkerungsgruppen bezahlbar sind, somit eine exklusive Wirkung haben, kann die Bedienung nicht als angemessen bezeichnet werden. Lokale Lösungen – so begrüßenswert und vorbildlich sie im Einzelfall auch sein mögen – können, was diesen Aspekt angeht, eine landeseinheitliche Lösung bzw. verbindliche Vorgaben für eine „angemessene Bedienung“ nicht ersetzen. Es darf nicht vom Zufall des Wohnorts abhängen, ob Menschen mit geringem Einkommen (Arme) durch ein entsprechend angepasstes Tarif-Angebot angemessenen Zugang zum ÖPNV haben oder nicht. Die Bekämpfung von Armut und ihren Ursachen ist jedoch nur bedingt eine Landesaufgabe. Für die nötigen Rahmenbedingungen hat der Bund zu sorgen – durch bedarfsdeckende Grundsicherungssysteme wie auch durch Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen, damit Arbeit wirklich zum Leben reicht. 2.Wie teuer sollte eine mit Landesmitteln bezuschusste Monatskarte für Bezieher/-innen von Grundsicherungsleistungen und Menschen, deren Einkommen 130 Prozent der örtlich durchschnittlichen Grundsicherungsleistungen nicht überschreitet, höchstens sein, damit es von der Zielgruppe tatsächlich in Anspruch genommen werden kann? Auf dem Hintergrund der Dortmunder Erfahrungen in den Jahren 2008 bis 2010 sowie der Zusammensetzung des Regelsatzes nach SGB XII bzw. SGB II sollten die 18,41 € im Monat nicht überschritten werden (vgl. Vorbemerkungen). Angemessener noch wäre aus unserer Sicht ein Preis von rund 15 € für Erwachsene. Ab 20 € aufwärts dürfte die Nachfrage so stark zurückgehen, dass von einer bedarfsgerechten Lösung nicht mehr gesprochen werden kann. Bei Kindern bzw. Jugendlichen im Bezug von Sozialgeld bzw. Sozialhilfe, aber auch bei erwerbsfähigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen (bis zum Alter von 25 Jahren) geht der Bundesgesetzgeber, von wenigen Falltypen abgesehen, von einem geringeren Bedarf für den täglichen Lebensunterhalt aus als bei (älteren) Erwachsenen. Ihre Regelsätze liegen aktuell zwischen 20 und 41 Prozent unter dem Eckregelsatz. Da von den Abzügen auch die Fahrkosten betroffen sind, wäre ein ergänzendes Angebot für diese Altersgruppen zu fordern. 3.Welche Erfahrungen beziehungsweise Erwartungen existieren hinsichtlich der Wirkung auf die Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit geringen Einkünften, und wie wirkt sich dies auf den sozialen Frieden in einer Kommune, Kreis oder Verbundgebiet aus? Der Ausschluss vom ÖPNV-Angebot ist für einen großen Teil der Ärmeren gleichbedeutend mit dem Ausschluss vom normalen öffentlichen Leben. Das Niveau der regulären Preise etwa im VRR hat zur Folge, dass bestenfalls die nicht-vermeidbaren und auch nicht verschiebbaren Wege zu Ämtern, Ärzten u.ä. erledigt werden können. Zu bedenken ist dabei, dass diese Personengruppen – wie eingangs angedeutet – vielfach über keine anderen Fortbewegungsmittel verfügen, um längere Distanzen zurückzulegen. Nach dem (bundesweiten) Mobilitätspanel 2007 haben Haushalte mit einem Nettoeinkommen unter 1.000 € nur in 20-30 % der Fälle regelmäßigen Zugriff auf ein Auto; in über 50 Prozent der Fälle besteht ein solcher Zugriff nie, auch nicht für gelegentliche Touren. Das heißt: Die Elastizität dieser Personengruppen bei der Verkehrsmittelwahl ist eher gering. Wir teilen die Überzeugung der Antragsteller, wonach Mobilität „genauso Teil der sozialen Infrastruktur (ist), wie kostenloser Schulbesuch, ein bezahlbares Gesundheitssystem sowie ein uneingeschränkter Zugang zu Nahrung, Wasser und Energie“. Eine Politik, die allgemeine soziale Teilhabe als Ziel definiert, muss allen Bevölkerungsgruppen die Erreichbarkeit von Orten sichern, an denen ihre jeweiligen Bedürfnisse befriedigt werden können (Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Arbeitsstätten, Erholung, Freizeit- und Bildungsangebote, etc.). 4. Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen der Preisgestaltung eines Sozialtickets und der Anzahl der Nutzer/-innen? Je niedriger der Abgabepreis, desto breiter der Kreis der Nachfrager, klar. Hinzuzufügen ist: Je niedriger der Abgabepreis, desto niedriger auch der Betrag, der von den Nachfragern zuvor durchschnittlich pro Kopf für den ÖPNV ausgegeben wurde (sog. Alt-Umsatz) die Größe also, auf deren Grundlage die Unternehmen die sozialticket-bedingten Mindereinnahmen bestimmen. Nach den Erfahrungen in Dortmund und im Kreis Unna ist der Zusammenhang zwischen Preis und Nachfrage - bezogen auf den Personenkreis, der hier in Rede steht - sehr eng (hohe Preiselastizität). Beispiel Dortmund: Hier wurde im Feb. 2008 auf Beschluss des Rates ein Sozialticket für Transferleistungsbezieher zum Preis von 15 Euro monatlich eingeführt (Vollzeit-Monatskarte auf Abo-Basis). Dieses vorbildliche Angebot wurde von bis zu 24.100 Personen (Ende 2009) angenommen, eine Zahl, die damals alle Erwartungen übertraf (entsprach etwa 25 % der Berechtigten). Infolge von Haushaltsproblemen der Stadt wurde das Angebot zum 1. Februar 2010 wieder abgeschafft. An seine Stelle trat eine Light-Version, nämlich ein Ticket zum Preis von - zunächst – 30 €, das zudem an Werktagen erst Fahrten ab 9 Uhr erlaubt. Mit diesen Änderungen brach der Absatz sofort ein. Heute zählen die Stadtwerke in diesem Bereich nur noch rund 7.500 Abonnenten. Übrig geblieben also weniger als ein Drittel – und das trotz erweitertem Berechtigungskreis.( In die Light-Version wurden auch Bezieher von Wohngeld als Berechtigte einbezogen. Derzeit sind in Dortmund rund 117 Tsd. Personen bezugsberechtigt (nach VRR-Angaben), entspricht 20,4 % der Gesamtbevölkerung.) Beispiel Unna: Der Kreis Unna hatte – nach dem Vorbild von Dortmund – im Dezember 2008 ein kreisweit gültiges Sozialticket zum Preis von 15 Euro eingeführt (ebenfalls auf Abo-Basis). Das Angebot wurde zu Höchstzeiten (März 2010) von 6.114 Personen angenommen. Ab April 2010 wurde das Angebot gesplittet: Der Preis für die kreisweite Monatskarte wurde auf 26,10 € angehoben (mittlerweile 27,15 €). Zusätzlich wurde ein vergünstigtes „Stadtticket“ eingeführt, das nur in der jeweiligen kreisangehörigen Gemeinde benutzt werden kann (Preis ursprünglich 16,10 €, inzwischen 16,75 €). Die Gesamtzahl der Abos ist unmittelbar nach der Neuregelung stark eingebrochen und liegt mittlerweile knapp unter 3.000. Auch das Stadtticket findet nur begrenzt Zuspruch. Beispiel Lünen: Von den 1.808 Abonnenten des ursprünglichen Tickets sind nur 211 (12 %) bei der kreisweiten Monatskarte geblieben; 687 (38 %) sind auf die billigere Stadtticket-Variante umgestiegen. Die restlichen 50 Prozent hat die VKU seit dem 1. April 2010 als Abo-Kunden verloren. Niemand hat nachgehalten, wo die im Kreis Unna und in Dortmund nach der jeweiligen Umstellung „verschwundenen“ Abonnenten geblieben sind. Unsere Vermutung. Die Betreffenden versuchen seither wieder, die allernötigsten Wege mit Einzel- oder Vierer-Tickets hinzubekommen. Ein Teil der Wege wird vielleicht mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt. Der Rest ihres Mobilitätsbedarfs verschwindet wieder ... in der UNSICHTBARKEIT. 5. Welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie, damit die Inanspruchnahme bzw. Zahl die Neuerwerbung an Sozialtickets erhöht werden kann? Welche empirischen Erfahrungen aus Untersuchungen oder Beratungsgesprächen existieren bezüglich der Mobilität von Personen die zum Erwerb eines Sozialtickets berechtigt sind? Aus den Antworten zu vorherigen Fragen ergeben sich bereits verschiedene Anhaltspunkte: Das VRR-Angebot erfüllt preislich nicht die Erwartungen und Anforderungen an ein bedarfsgerechtes Sozialticket (s. Frage 2). Der hohe Einstandspreis von 29,90 € spiegelt eher die Widerstände innerhalb des VRRs denn die realen materiellen Möglichkeiten der Zielgruppe wider. Sollte der Preis nicht noch deutlich gesenkt werden, dürfte die jahresdurchschnittliche Nutzerquote unter 10 Prozent (der Berechtigten) bleiben. Es fehlt zudem (noch) ein – alternatives – Angebot für Berechtigte, die den ÖPNV eher weniger benutzen (Wenigfahrer) oder auch deren Fahrziele – aus beruflichen oder sonstigen Gründen - ganz oder überwiegend außerhalb des eigenen Stadtgebietes liegen. Beiden Teilgruppen hilft die neue Monatskarte nicht weiter; der Preis würde einen viel zu hohen Betrag von ihrem knappen Budget binden.5(5 Erschwerend kommt hinzu, dass die sog. Zusatztickets bei Fahrten über die Nachbarstadt hinaus in Kürze deutlich teurer werden, von derzeit 2,60 € auf dann 3,50 €. Zur Erläuterung: Mit einem Zusatzticket kann der räumliche Geltungsbereich einer VRR-Monatskarte vorübergehend auf die ganze Region ausgedehntwerden (zu lösen: ein Ticket pro Strecke) Zu Dortmund: Wie der Beitrag von Westpol am vergangenen Sonntag schön herausgearbeitet hat, geht die Entscheidung der Stadt Dortmund, sich nicht am VRR-Pilot zu beteiligen, an den praktischen Nöten vieler Menschen vorbei. Denn selbst mit dem – u.E. noch viel zu teuren - VRR-Ticket ständen sie sich heute besser als mit der Light-Version, die vom Dortmunder Sozialticket übrig geblieben ist. Empirische Untersuchungen: Hierzu ist uns aus unserem Raum nur eine kleinere Untersuchung aus Düsseldorf bekannt, die 2008 angestellt wurde. Sie basierte auf der Befragung von knapp 700 Besuchern sozialer Einrichtungen der Landeshauptstadt. Die wichtigsten Ergebnisse sind zusammengestellt unter: http://ik-armut.de/inhalt/befragungoepnv.htm Eine ähnliche Studie gibt es angeblich auch für Gelsenkirchen. 6. Welche Leistungsmerkmale (räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich, Abonnement-Verpflichtung, Fahrradmitnahme, Übertragbarkeit u.a.) sollte ein Sozialticket aus Ihrer Sicht mindestens beinhalten? Wie schon eingangs erwähnt, muss vermittels eines Sozialtickets zumindest die Beweglichkeit der BürgerInnen innerhalb der eigenen Stadtgrenzen bzw. - bei Landkreisen - Kreisgrenzen sichergestellt sein. Und zwar ohne tages- oder jahreszeitliche Einschränkungen. Abonnementslösungen scheinen auf der ersten Blick von der Handhabung her einfacher, haben sich aber weder in Dortmund noch bei der Verkehrsgesellschaft Unna bewährt (hohe Zahl vergeblicher Lastschrifteinzüge). Alle uns bekannten Studien belegen im übrigen, dass die Akzeptanz eines Monatstickets ohne Abo-Bindung deutlich höher ist als mit Bindung. Denn dadurch verbleiben den Betreffenden größere Dispositionsspielräume, was ihre knappen Finanzen angeht. Aus dem gleichen Grunde wäre für die (Teil-) Gruppe der „Wenigfahrer/-innen“ (wie auch für diejenigen, die eher stadtgrenzenüberschreitende Fahrten unternehmen, vgl. oben) eine Alternative in Form von rabattierten Einzel- oder Vierertickets wünschenswert. Angebote, die in ihren Merkmalen erheblich unter diesen Standards bleiben und/oder deren monatlicher Preis den unter 2. genannten Schwellenwert von 20 € überschreitet, sind nicht wirklich bedarfsgerecht und haben u.E. die Bezeichnung 'Sozialticket' nicht verdient. Zur Frage der Übertragbarkeit: Eine Übertragbarkeit auf andere Personen, gleichfalls zur Zielgruppe gehörend, wäre äußerst wünschenswert. Es bedeutet für den Inhaber eine weitere Entlastung, führt zudem weitere Personen an den ÖPNV heran. Köln hat diesbezüglich Maßstäbe gesetzt. 7.Falls in Ihrer Stadt, Ihrem Kreis, Ihrem Verbundgebiet ein Sozialticket aktuell oder künftig angeboten wird: Zu welchen Konditionen wird das Sozialticket angeboten oder soll ab welchem Zeitpunkt angeboten werden? Dortmund: Hier wurde mit Ratsbeschluss v. 13.12.07 ein auf 2 Jahre angelegtes lokales Pilotprojekt angeschoben. Den 96.000 Sozialleistungsbeziehern wurde ab dem 1.2.2008 eine Monatskarte zum Preis von 15 Euro monatlich angeboten (Vollzeit, Preisstufe A, nur als Abo, Ausstattung wie das VRR-Regelangebot Ticket1000, personengebunden). Die Stadt hatte zugesagt, in die Restkosten gegenüber dem Regulärpreis – nach Abzug eines Großkunden-Rabatts - einzutreten. Nach Ablauf der 2-jährigen Pilotphase trat an die Stelle des alten Angebots eine „Light-Version“, eine immer noch leicht vergünstigte Monatskarte mit folgenden Konditionen: Nutzung erst ab 9 Uhr, weiterhin nur als Abo, weitere Ausstattung entsprechend Ticket1000 9 Uhr Abo, Preis zunächst 30 €, heute 31,56 €. Der Rabatt gegenüber dem Normalpreis (38,37 €) entspricht grob dem der Stadt eingeräumten Großkunden-Rabatt. Zur Berechtigtenzahl und Inanspruchnahme s. Antworten auf Fragen 4 und 12 VRR: Nach zähem Ringen innerhalb des Verbands wird zum 1.11.2011 versuchsweise ein vergünstigtes Monatsticket zum Preis von knapp 30 € für Sozialleistungsbezieher und Wohngeldempfänger eingeführt. Basis auch hier: das Regelangebot Ticket1000, mit einer kleinen Einschränkung, was die Mitnahme-Möglichkeiten angeht. Ansonsten: Vollzeit, Preisstufe A, nur im Freiverkauf erhältlich, personengebunden (keine Übertragbarkeit). Nicht alle VRR-Kommunen machen bei dem Pilotprojekt mit (die Teilnahme ist freiwillig). Auf Grundlage einer Begleitstudie soll Ende 2012 entschieden werden, ob - und wenn ja: in welcher Form - das Angebot in das Regelsortiment des Verbunds übernommen wird. In den großen Städten deckt die Preisstufe A das gesamte Stadtgebiet ab, in den Landkreisen nur jeweils Teilflächen. 8.Welche Landesmittel wären Ihrer Kenntnis nach notwendig, um landesweit ein bedarfsgerechtes Sozialticket zu finanzieren, und sollte dieser Zuschuss dynamisiert werden? Nach überschlägigen Berechnungen unseres Instituts für den VRR-Raum würde ein Sozialticket zum Preis von 15 € pro Monat bei den VRR-Verkehrsbetrieben zu Mindereinnahmen von 30-36 Mio. € p.a. führen, eine Nutzerquote von – jahresdurchschnittlich – 20 Prozent unterstellt. Mehreinnahmen, die aufgrund des Sozialtickets bei den jeweils anderen Verkehrsbetrieben erzielt werden, noch nicht gegengerechnet. Da etwa die Hälfte der ca. 2 Millionen Transferleistungsbezieher NRWs im VRR-Raum (VRR-alt) lebt, müsste ein Haushaltsansatz von 70 Mio. € pro Jahr eigentlich ausreichen, um die landesweiten Mindereinnahmen aus einem bedarfsgerechten Sozialticket zu den o.g. Bedingungen vollständig zu kompensieren, auch wenn der Berechtigtenkreis – wie im vorliegenden Antrag der Fraktion Die Linke vorgesehen – etwas ausgedehnt würde. Ein höherer Ansatz würde vermutlich entweder zu Überkompensationen oder zu Haushaltsresten führen. 9.Sind durch die Einführung eines Sozialtickets Mehrerlöse zu erwarten, die geeignet sind, Mindereinnahmen teilweise zu kompensieren? Die Einführung eines bedarfsgerechten Sozialtickets führt beim jeweiligen Unternehmen zu Mehreinnahmen, durch Neukunden wie durch einen Rückgang des Anteils an Schwarzbzw. Graufahrern. Auf die diesbezüglichen Erfahrungen von KVB, VRS und VKU wird verwiesen. Hinzu kommen - externe - Mehrerlöse, die bei den jeweils anderen Betrieben des Verbunds bzw. der Verkehrsgemeinschaft anfallen. Ein Beispiel: Das Unternehmen A verkauft nach Einführung des neuen VRR-Angebots eine größere Zahl solcher rabattierter Monatskarten. Da die VRR-Regeln eine gelegentliche Ausdehnungsmöglichkeit auch auf Fahrten über die Stadtgrenze hinaus erlauben, durch Zukauf von sog. Zusatztickets, ist davon auszugehen, dass ein Teil der – ja nur durch das Sozialticket des Unternehmens A möglich gewordenen - Einnahmen aus dem Verkauf solcher „Zusatztickets“ bei anderen Unternehmen anfällt. Diese anderen Unternehmen – einschließlich der Betriebe des SPNV – profitieren auf diesem Wege also ebenfalls indirekt von der Einführung des neuen Angebots bei A.6(6 An dem soeben angelaufenen Pilotprojekt sind nicht alle VRR-Kommunen beteiligt (die Teilnahme ist freiwillig). In der Folge wird es unweigerlich auch zu Vorteilsabflüssen zu Kommunen bzw. Betrieben kommen, die beim Projekt nicht mitmachen. Ein Ausgleichsmechanismus für diese – unverdienten – Zusatzeinnahmen ist nach unserer Kenntnis bedauerlicherweise nicht vorgesehen.) Eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung des neuen Tarifs muss solche externen Effekte unbedingt einschließen. 10.Entstehen den Verkehrsunternehmen durch die Einführung eines Sozialtickets Mehrkosten, die über die Aufwendungen für den Vertrieb hinausgehen? Das Dortmunder Unternehmen DSW21 hat darüber geklagt, dass es während des 2-jährigen lokalen Pilotprojekts 2008-2010 zu einer hohen Zahl vergeblicher Einzugsversuche gekommen sei, was zusätzlichen Aufwand und zusätzliche Kosten verursacht habe. Auch aufgrund dieser Erfahrungen ist von reinen Abo-Lösungen abzusehen. 11. Wurden bei den bisherigen Modellen eines Sozialtickets, z. B. in Köln, Dortmund und Unna zusätzliche Busse oder Bahnen) eingesetzt? Unserer Kenntnis nach nein. Jedenfalls ist dergleichen selbst von ausgewiesenen Gegnern eines Sozialtickets nie geltend gemacht worden. 12. Ist zu erwarten, dass ein Sozialticket zu einer besseren Auslastung und damit unter Umständen auch zu einer größeren Wirtschaftlichkeit des ÖPNV-Angebots beitragen kann? Während des 2-jährigen Pilotversuchs in Dortmund (vgl. Frage 7) wuchs das Fahrgastvolumen bei den Dortmunder Verkehrsbetrieben rasant an. Dem Unternehmen war es erst Anfang der 90er Jahre gelungen, die 100-Millionen-Grenze zu knacken; seitdem war das Volumen langsam auf 130 Mio. Fahrgäste (2007) gestiegen. Im Februar 2008 kam das neue Angebot, ein Sozialticket für 15 €. Im gleichen Jahr sprang die Fahrgastzahl auf 139,2 Mio. (ein Plus von 7 %), im Folgejahr sogar auf 143,3 Millionen. Mittlerweile – nach Auslaufen des 2-jährigen Projekts – sind wir wieder bei 135,1 Mio. (2010) angelangt. Der zwischenzeitige Höhenflug war eine rein lokale Angelegenheit; der VRR konstatierte zur gleichen Zeit – trotz des Schubes aus Dortmund - stagnierende Fahrgast-Zahlen. (Alle Zahlen nach Angaben der DSW21) Die DSW21 bezifferten die damit verbundenen Mindereinnahmen (aus Ticketverkäufen) in einer Pressemitteilung mit rund 7 Mio. € in 24 Monaten. Die Diskussion im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr im Vorfeld der Einführung des neuen Angebots wurde ebenfalls von Erlös-Betrachtungen dominiert. Die Verantwortlichen gehen davon aus, dass die Quote echter Neukunden unter den Nutzern sehr gering sein wird und dass 90 % (und mehr) auch schon zuvor das Verkehrsangebot der angeschlossenen Betriebe – gelegentlich oder regelmäßig – genutzt haben. Es wird befürchtet, dass es durch Wanderungs- bzw. Kannibalisierungseffekte unter dem Strich zu beträchtlichen Erlösausfällen kommen wird und die Einführung des neuen Angebots daher ohne die in Aussicht gestellte Landesförderung ohnehin nicht zu stemmen sei. Dabei beruft sich der VRR im wesentlichen auf – fragwürdige - Erfahrungswerte der Dortmunder DSW21 aus dem lokalen Pilotversuch. (8 Die Zahlen der Dortmunder haben nicht zuletzt auch Niederschlag gefunden in den Referenzgrößen, die als Basis für die ersten Abschlagszahlungen an die teilnehmenden VUs dienen. Siehe hierzu Sozialticket- Richtlinie des VRR, beschlossen am 19.7.2011, Anlage 2) Wenn die Prognosen des VRR zuträfen, führte die höhere Auslastung in diesem Fall nicht zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, jedenfalls nicht in den großen Städten. Wir haben erhebliche Zweifel an diesen Berechnungen, zumindest was Nutzerquote und Neukundenanteil angeht. Andererseits ist wegen des hohen Preises davon auszugehen, dass der Anteil der Nutzer, die bereits zuvor im Besitz einer (regulären) Monatskarte waren, vergleichsweise hoch ausfallen wird, vor allem in den Städten (30 % und mehr). Im ländlichen Raum stellt sich die Frage der Wirtschaftlichkeit ohnehin anders dar. Das dort vorhandene, vergleichsweise dünne Verkehrsangebot wird schon heute vielfach nur über Schülerverkehre u.ä. abgesichert. Hier würde ein – über einen Sondertarif induzierter – dauerhafter Fahrgastzuwachs u.U. sogar zu einer, auch nach traditionellen Begriffen höheren Wirtschaftlichkeit des Angebots führen. Unabhängig von diesen Überlegungen möchten wir aber betonen: Kommunale Unternehmen haben – neben einem verkehrlichen und einem ökologischen – auch einen sozialen Auftrag, sind sie doch zu einem erheblichen Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert. Es ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel, wenn manche Vorstände so tun, als würden sie rein marktwirtschaftlich arbeitende Unternehmen leiten. Die „unternehmerische“ Betriebsführung hatte in der Vergangenheit vielfach Preisentwicklungen zur Folge, die für ärmere Bevölkerungsgruppen exklusive Wirkungen zeitigen und in der Folge - so auch jetzt – zur Notwendigkeit von Sondermaßnahmen in Form von „Sozialtarifen“ führen. Wir wissen: Öffentlicher Verkehr kann nie kostendeckend betrieben werden, ohne dabei die Mehrzahl der Kunden zu verlieren. In dem Fall hier geht es um eine Kundengruppe, die vielleicht so stark wie keine andere auf seine Leistungen angewiesen ist. Und es handelt sich dabei nicht um den Flug nach Mallorca oder mal eine Spritzfahrt nach Berlin, sondern um die normale, alltägliche Beweglichkeit innerhalb der eigenen Stadt, der eigenen Region. Sie ist für viele – dank Niedriglohn, Armut im Alter und knappen Sozialleistungen – schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr. 13.Wie hoch ist der Anteil der NeukundInnen am Öffentlichen Personennahverkehr bei den Nutzerinnen des Sozialtickets beziehungsweise welche Erwartungen existieren hinsichtlich eines Tarifwechsels beziehungsweise eines Neuerwerbs von Sozialtickets von jetzt beziehungsweise künftig berechtigten Personen? Die vom VRR erwartete Neukunden-Quote von 6-7 % („Neuverkehr“) lässt sich nicht mit den – völlig anderslautenden – Erfahrungen der Kölner KVB oder der VKU Unna zur Deckung bringen. Wir sind auf die ersten Ergebnisse aus der begleitenden Untersuchung gespannt. 14. Wie muss die Evaluation eines Sozialticket-Angebotes angelegt sein, damit sie den Ansprüchen an empirische Erhebungen genügt und neben Wanderungs- und „Kannibalisierungs“-Effekten auch das Fahrverhalten von Bezugsberechtigten erfasst, die das Ticket nicht kaufen. Neben den üblichen methodischen Anforderungen an Studien dieser Art sind in diesem Fall aus unserer Sicht folgende Aspekte zu beachten: ► Befragungen zum Mobilitätsverhalten vorher-nachher sollten möglichst an einem „neutralen“ Ort stattfinden, am besten in den eigenen 4 Wänden. ► Bei Telefonbefragungen (u.E. sub-optimal) sind auch Personen einzubeziehen, die nur über einen Handy-Anschluss, also keinen Festnetz-Anschluss, verfügen. Denn die Rate der 'Mobile-Only's ist in den unteren Einkommensgruppen besonders hoch. ► Weitere Mitglieder des Haushalts / der Bedarfsgemeinschaft sind, soweit möglich, ebenfalls persönlich zu befragen. ► Bei „Altkunden“, die angeben, ihre Fahrten bislang mit einer Zeitkarte erledigt zu haben, ist nachzufragen, ob sie selber Inhaber der Karte sind oder sich diese von jemandem ausgeliehen haben (bzw. auch, ob diese Fahrten im Rahmen der Mitnahmemöglichkeiten einer anderen Person stattfanden). Eine solche Differenzierung ist in Hinblick auf eine realistische Erhebung des Alt-Umsatzes von Bedeutung. ► Die Stichprobe sollte sowohl Nutzer als auch Nicht-Nutzer des neuen Angebots einschließen, um ggfs. auch Anhaltspunkte über Schwächen des neuen Tarifangebots zu gewinnen. Und für eine Abklärung, ob das gegebene (Nachfrage-) Potential wirklich mit dem Angebot erfasst wird. Insofern darf sich die Suche nach Zielpersonen nicht ausschließlich auf die (Teil-)Gruppe beschränken, die einen Berechtigungsausweis für den Erwerb vergünstigter Fahrausweise (in Köln und Münster: der sog. Köln- bzw. Münster-Pass; im VRR: die Trägerkarte; etc.) beantragt bzw. zugesandt bekommen haben. Bedürfnissen, die man nicht kennt, weil man sie nicht erhebt, kann man schwerlich entgegen kommen. ► In die Auswertung sollten auch Erkenntnisse über Art – und Dichte – der Bewerbung des neuen Angebots durch die VUs, den jeweiligen Verbund / die jeweilige Verkehrsgemeinschaft wie auch durch die beteiligten Gemeinden einfließen. 15. Welche Möglichkeiten bietet ein Sozialticket für die soziale Imagepflege einer Kommune? Mit dem Begriff „Sozialticket“ verbinden viele Bürger ein Stück sozialer Gerechtigkeit. Insofern kann eine Kommune ein solches Angebot durchaus auch zur Imagepflege nutzen. 16. Wie bewerten Sie die Auffassung des Innenministeriums, dass es keine finanzaufsichtsrechtlichen Bedenken gegen die Teilnahme von Kommunen im Haushaltssicherungskonzept oder Nothaushalt am Modellprojekt „Sozialticket“ gibt? Soweit wir das beurteilen können, ist eine Teilnahme an dem 14-monatigen VRR-Pilotprojekt für die beteiligten Kommunen mit keinen finanziellen Risiken verbunden. Nicht zuletzt dürfte der hohe Preis zu einer erheblichen Drosselung der Nachfrage sorgen. 17.Das Sozialticket ist eine zusätzliche Sozialleistung der Kommunen, die der Verbesserung der örtlichen Mobilität von einkommensschwachen Bürgerinnen und Bürgern dient. Wie bewerten Sie es, dass diese zusätzliche Sozialleistung der Kommunen aus dem Landeshaushalt und speziell aus dem Verkehrshaushalt finanziert wird? Bei der aktuellen Regelung handelt es sich um Zuschüsse zur Einführung und zum Ausbau von Sozialticket-Angeboten. Wir begrüßen dieses Engagement des Landes ausdrücklich, da eine Vielzahl von Kommunen in NRW aufgrund ihrer prekären Haushaltssituation gar nicht mehr in der Lage wären, solche Angebote zu stemmen. Aus unserer Sicht ist es sehr bedauerlich, mit welcher Skepsis der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr – und viele der ihm angeschlossenen Unternehmen - auf das Angebot der Landesregierung reagierte(n). 18.Kann die Förderung von Sozialtickets aus dem Landeshaushalt zu Mitnahmeeffekten führen, indem Städte, die einkommensschwachen Bürgern etwa mit einem Stadt-Pass Vergünstigungen bei ihren Verkehrsbetrieben einräumen, ihren eigenen Aufwand reduzieren? 19.Werden die durch das Land zugesagten finanziellen Unterstützungen im Falle von Mindereinnahmen beim VRR und bei den Kommunen für ausreichend gehalten? Nach unserem Dafürhalten ja. 20.Welche zusätzlichen Verwaltungskosten kommen auf die Kommunen zu? Ein zusätzlicher Aufwand entsteht durch die Prüfung der Berechtigung. Die Angaben der Städte hierzu weisen eine große Spannbreite auf, so dass eine seriöse Aussage nicht möglich ist. 21. Für die Landesförderung des Sozialtickets über 2011 hinaus gibt es bislang lediglich eine unverbindliche Finanzierungsabsicht der Landesregierung. Entsprechende Verpflichtungsermächtigungen enthält der Landeshaushalt nicht. Welche Konsequenzen hätte es für die Kommunen, wenn die Landesfinanzierung des Sozialtickets ausläuft? Die Förderung ist nach unserer Kenntnis in die mittelfristige Finanzplanung des Landes eingestellt. Siehe Antwort der Landesregierung v. 12.10.11 auf die Kleine Anfrage 981 der Abgeordneten Angela Freimuth (LT-Drucks. 15/3008) 22. Wie ist die Belastung für geringverdienende Berufspendler durch die vom VRR-Verwaltungsrat beschlossene durchschnittliche Fahrpreiserhöhung um 3,9 % zum 1. Januar 2012, die als Kompensation für das Sozialticket dienen soll, einzuschätzen? Von einem solchen Zusammenhang (Kompensation) ist uns nichts bekannt. Dass die geplante Tariferhöhung wie auch schon das bestehende Tarifniveau im VRR auch Geringverdienende überfordern kann, steht für uns außer Frage. Es wäre daher sehr zu begrüßen, wenn Sozialticket-Regelungen – wie in Köln praktiziert - auch Personen aus Haushalten einschließen würden, deren Einkünfte nur unwesentlich über der sozialrechtlichen Bedürftigkeitsgrenze liegen. Oder die, aus welchen Gründen auch immer, auf das Geltendmachen von (Rest-)Ansprüchen auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII verzichten. Anstelle einer Schlußbemerkung >> Extending mobility is important in building an inclusive society. << (Department for Transport, London)9 *********** Dortmund, den 2. November 2011 9 aus: Department for Transport (Hg.), The Future of Transport. London 2004, S. 11 Zitiert nach: D. Runge, Mobilitätsarmut in Deutschland?, S. 4