Wohnungsbauprogramm Essen-Werden

aus einer Presseerklärung der BI Werden zum Wohnungsbauprogramm Essen-Werden (Dezember 2002   http://www.bi-werden.de/presse/presse1.pdf )

Der Stadt Essen wird vom LDS bis 2015 ein Schrumpfen der Bevölkerung um 13,7% vorhergesagt, der stärkste Verlust aller Großstädte in NRW. Während die Gesamtbevölkerung in NRW von 1998 bis 2015 um 1,2% abnehmen soll, sollen
Landkreise wie Viersen, Kleve oder Coesfeld um bis zu 11% zunehmen.  Diese Kern-Umland -Wanderung, bei der überproportional viele Senioren und sozial Benachteiligte in den Großstädten verbleiben, ist finanz- und sozialpolitisch eine Katastrophe,  stellt das Infrastrukturangebot der Zentren in Frage, und der zusätzliche Pendlerverkehr belastet die Umwelt noch stärker. Die Bestrebungen des Essener Rates, diesen Schrumpfungsprozess der Wohnbevölkerung (nur noch 525.500 EW im Jahr 2015) und die Abwanderung einkommensstarker und jüngerer Haushalte abzuschwächen, sind verständlich und aus finanz- und sozialpolitischer, aber auch aus Sicht der Raumordnung und Umwelt sinnvoll und notwendig. Allerdings sieht die Bürgerinitiative Werden in dem vorgeschlagenen Wohnungsbauprogramm keine tragfähige Lösung.

1. Dem kleinen Stadtteil Werden, in dem etwa 5% der Essener wohnen, in den n ächsten 3 -5 Jahren jedoch über 20 ha neue Wohnbauflächen mit etwa 700 -750 Wohneinheiten zumuten zu wollen, ist weit überzogen und viel zu viel.

Die Bebauung von Baulücken, Wiedernutzung brachfallender Gewerbe- und Infrastrukturgrundstücke, Nachverdichtung von Siedlungen der Nachkriegszeit, Bauen im Innenbereich und auf städtischen Grundstücken müssen Vorrang haben. Zusammenlegung nicht vermietungsfähiger Kleinwohnungen, Wohnumfeldverbesserung, Bauen von altengerechten
Wohnungen in zentralen Lagen in jedem Stadtteil, Wohnungstauschbörsen und die Wiedernutzung freiwerdender Einfamilienhäuser sind weitere wichtige Maßnahmen. Denn:

2. Man hält die Bevölkerung nicht am Ort, wenn die letzten Grünflächen zugebaut werden, und der Schwerpunkt auf Stadterweiterung statt auf Stadterneuerung gelegt wird.

Angesichts der hohen Bodenpreise in Werden und der Absicht, die neuen Wohngebiete durch Bauträger erschließen zu lassen, ist in den neuen Wohngebieten nur ein hochpreisiger, verdichteter Standard-Wohnungsbau mit über 350.000 € für ein EFH zu erwarten. Dafür ist der Kreis potenzieller Käufer aber sehr klein, mehr als ca. 100 EFH in Werden würde der Markt in 5 Jahren nicht aufnehmen; dafür reichen ca. 3ha Fläche. Also:

3. Der vorgesehene Wohnungsbau verfehlt das Ziel des Rates, die Abwanderung zu stoppen, weil sich jüngere Familien in der Regel solche Häuser nicht leisten können, und außerdem so keine Mengeneffekte zu erzielen sind! Wenn die Stadt Abwanderungen jüngerer Familien in größerem Umfang verhindern will, muss sie mittels Bodenmanagement kostengünstige Grundstücke für Bauherren bereitstellen, die so ein Haus ihrer Wahl für deutlich unter 200.000 € bauen können; schließlich ziehen ja viele wegen niedriger Bodenpreise ins Umland. Es ist allerdings zu bezweifeln, ob Werden das richtige Pflaster für kostengünstigen Wohnungsbau ist, dass der Rat die Mittel und den Willen zu einem Bodenmanagement besitzt und Bauträger überhaupt das wirtschaftliche Risiko eingehen, teure Flächen dieser Größenordnung zu entwickeln.

Werden hat bereits heute ein massives Verkehrsproblem, das erst gelöst oder entschärft werden muss, bevor neuer Verkehr erzeugt wird. Der Ausbau der B227n in Kupferdreh wird keine nachhaltige Entlastung in Werden bewirken, weil auf der B227 die Wuppertaler Straße/Ruhrallee weiterhin überlastet sind, und weil 3/4 des Verkehrs im Werdener Zentrum im Stadtteil erzeugt wird. Die städtische Verkehrsuntersuchung verniedlicht das Verkehrsaufkommen durch die neuen Wohngebiete (Sie geht von einer Mehrbelastung von nur 2.000 Kfz-Fahrten im örtlichen Netz und von ca. 1.000 Kfz-Fahrten an der Werdener Brücke aus) und widmet sich vor allem nicht dem entscheidenden Knotenpunkt (Klemensborn-Abteistraße-Werdener Markt), der bereits heute überlastet ist. Das Verkehrsaufkommen der neuen Wohnviertel an der Barkhovenallee und Barkhorstrücken wird insbesondere den Straßenzug Klemensborn-Abteistrasse-Werdener Markt stark belasten und dort zu unzumutbaren Verkehrsverhältnissen führen.

Bei 17,65 ha neuer Wohnbaufläche im Bereich der Barkhovenallee sind etwa >600 Einfamilienhäuser mit 2.100 Einwohnern zu erwarten. Diese erzeugen werktäglich etwa 5.600 Kfz-Fahrten. (Diese Annahmen sind Mindestwerte, denn bei einer Mischbebauung mit Geschosswohnungsbau wären die bauliche Dichte, die Einwohnerzahl und die Verkehrserzeugung noch wesentlich höher.) Das aber bedeutet:

4. Vor einer Lösung oder Entschärfung der Verkehrs- und Umweltprobleme im Werdener Zentrum verbieten sich insbesondere Planungen, die ein erhöhtes Verkerhsaufkommen am Straßenzug Klemensborn-Abteistrasse-Werdener Markt zur Folge haben werden. Die Antwort auf die Frage, wie der zusätzliche Verkehr am Kreuzungspunkt Klemensborn/Abteistraße/ Werdener Markt bewältigt werden soll, bleibt die erwähnte Untersuchung schuldig. Die Bürgerinititaive fordert daher, zunächst ein Verkehrsentlastungskonzept für Werden zu entwickeln, bei dem auch ein Zentrumstunnel, flexible ÖPNV-Angebote wie Rufbusse und Anruf-Sammeltaxis, eine S-Bahn nach Velbert-Heiligenhaus und andere Maßnahmen eingehend geprüft werden.

Der Planungsausschuss hat im Sommer die Erarbeitung eines neuen Verkehrsplans für Essen beschlossen, weil der alte aus den 70er Jahren völlig überholt sei. Gleichzeitig berufen Politiker sich bei den neuen Baugebieten auf den Flächennutzungsplan (FNP), der ebenfalls Ende der 70er Jahre aufgestellt wurde und in den Datengrundlagen und Zielen völlig überholt ist. Folglich ist bei allen Überlegungen zu berücksichtigen:

5. Der Flächennutzungsplan schafft kein Baurecht, sondern ist nur für Behörden verbindlich.
Viele Planungen des FNP sind bis heute – zu Recht – nicht verwirklicht worden. Baurecht wird nur durch Bebauungspläne geschaffen; dabei ist bei jedem Verfahren neu zu pr üfen, ob der Plan erforderlich ist, ob ein Bedarf besteht, welche Auswirkungen er hat, usw. Die verschiedenen Interessen und Planungsaspekte sind dabei abzuw ägen, und das Ergebnis dieser Abwägung darf nicht schon vorher präjudiziert sein! Kurz gesagt: Der Rat darf hier nicht Erfüllungsgehilfe der Grundeigentümer und Bauträger bei der Umsetzung des FNP werden, sondern muß in seiner Entscheidung frei bleiben.

Es geht der Bürgerinitiative um Werden: sie will nicht alles verhindern, sondern die Identität, Qualität und Vielfalt Werdens erhalten. Dazu gehören

l eine gemischte Bevölkerung,

l Baudenkmäler und auch qualitätsvolle Neubauten,

l Kultur, Gastronomie und Einzelhandel in einem Zentrum mit Aufenthaltsqualität

l und vor allem die landschaftlichen Qualitäten der Grünzonen.

Es ist an der Zeit, gemeinsam mit den Bürgern in einer Perspektivenwerkstatt einen WERDEN-PLAN zu erarbeiten, der aus einem Freiraum -, Siedlungs -, Infrastruktur- und Mobilitätskonzept besteht, die Identitäten und Qualitäten Werdens benennt und zusammenführt, damit das Charakteristische von Werden nicht verloren geht.

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