Wind, Flaute oder Sturm

Uschi Gerster, Sprecherin der ver.di Vertrauensleute am Uniklinikum Essen: Zur diffamierenden und verfälschenden Berichterstattung

Ich erwarte eine öffentliche Richtigstellung und Entschuldigung für die verfälschende und diffamierende Berichterstattung über mich durch die entsprechenden Personen.

Uschi Gerster

Persönliche Erklärung

Mein Name ist Uschi Gerster, ich bin seit 44 Jahren aktive Gewerkschafterin, eine konsequente Antirassistin und Antifaschistin. Außerdem bin ich Sprecherin der ver.di Vertrauensleute am Uniklinikum Essen.

Auf Grund der Vorfälle in den USA beschlossen die Vertrauensleute des Uniklinikums Essen aus Solidarität mit den Protesten gegen die Ermordung von George Floyd und gegen Rassismus am 9.6.20 eine Solidaritäts- und Protestkundgebung durchzuführen.

Vorher versandten wir eine Pressemitteilung an die Redaktion der WAZ, die von unserer Gewerkschaftssekretärin Katharina Schwabedissen und mir unterzeichnet war. Die Kundgebung fand mit ca. 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern am 9.6.20 vor dem Haupteingang des Uniklinikums Essen statt. Im Namen der ver.di Vertrauensleute hielt ich eine gemeinsam erarbeitete Rede, in der ich auch u.a. auf in Deutschland existierenden Rassismus und besonders auch auf den Einfluss von Rassismus im staatlichen Handeln und der Polizei einging. Wörtlich heißt es in der Rede u.a.:

„Auch in Deutschland kommt es immer wieder zu rassistisch motivierter Polizeigewalt, die auch Menschenleben fordert. (…) Immer wieder kommt es vor, dass auch deutsche Beamte Menschen erschießen, meist handelt es sich dann um Geflüchtete oder Menschen mit Migrationshintergrund. Solche „Vorfälle“ werden so gut wie nie aufgeklärt bzw. die Täter nicht belangt. Selbst die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sagt, dass rassistische Polizeimaßnahmen in Deutschland verbreitet sind. Auch Polizeikontrollen aufgrund ethnischer Herkunft seien „definitiv auch in Deutschland ein Problem“.

Im Anschluss an die Rede wurde ich von der WAZ-Journalistin Fatima Krumm angesprochen und gefragt, ob ich davon ausgehen würde, dass es in Deutschland rassistische Morde geben würde. In der auch als Video dokumentierten Rede fällt an keiner Stelle der Begriff „Mord“. Ich war über diese Frage verwundert, weil in der Rede der Vorwurf „Mord“ nicht vorkommt. Ich wies sie darauf hin, dass es auch in Deutschland immer wieder zu rassistisch motivierter Polizeigewalt kommt, die auch Menschenleben fordert und ergänzte, dass es politisch geduldet wird, dass im Mittelmeer tausende Flüchtlinge ertrinken. In meinem Telefonat am gleichen Tag wies ich sie auf den aktuellen Fall von Adel B. hin, den sie daraufhin überprüfen wollte.

Unter krasser Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht erschien am 10.6.20 in der Essener Ausgabe der WAZ ein Artikel ohne Nennung der Verfasserin/des Verfassers, in dem es heißt:

„Verstörend hingegen waren Aussagen der Sprecherin der Verdi-Vertrauensleute am Uniklinikum, Uschi Gerster, auch die deutsche Polizei begehe „rassistische Morde“ an Flüchtlingen. Auf Nachfrage, welche Morde gemeint seien, sagte Gerster: „Im Mittelmeer“ und „der Todesfall Adel B“.“

Indem mir provokativ eine überspitzte Kritik in den Mund gelegt wird, versucht die WAZ offensichtlich von strukturellem Rassismus und Gewalt in der deutschen Polizei abzulenken. Dabei ist diese Kritik durchaus notwendig und berechtigt. Tatsache ist: Der Bochumer Kriminologe Tobias Singelnstein geht davon aus, dass bei „rund 15% der PolizistInnen „verfestigte rassistische Einstellungen“ vorliegen könnten.

Die verfälschende Berichterstattung der WAZ war für den Essener Polizeipräsidenten, Oberbürgermeister Kufen und die CDU Essen willkommener Anlass vielfältige Kritiken an rassistischen Einflüssen in der Essener Polizei zu leugnen und Tötungshandlungen – wie gegenüber Adel B. – zu verharmlosen. Im Fall von Adel B., der durch einen Essener Beamten erschossen worden ist, dauern Ermittlungen noch an, vor allem auch im Zusammenhang mit einem Video über den Hergang. Nach dessen Veröffentlichung musste die ursprüngliche Darstellung der Polizei geändert werden. Dem Polizeipräsidenten Frank Richter sei im Hinblick auf sein WAZ-Interview vom 13.6.20 gesagt: Wenn etwas „unerträglich“ ist, dann die Tatsache, dass ein Polizeibeamter Adel B. erschossen hat und dies ohne Strafe bleiben soll.

Im Mittelmeer sterben nach wie vor Flüchtlinge auf Grund der EU-Politik, die von der deutschen Regierung massiv vorangetrieben wird. Bestandteil dieser Politik ist auch die Bewaffnung libyscher Sicherheitskräfte durch die Bundesregierung und deren „Ausbildung“ durch deutsche Polizeikräfte. Diese Politik, die zu massenhaftem Tod im Mittelmeer führt, zu Folter und Massenvergewaltigungen in den sogenannten „libyschen Gefängnissen“ wird international von vielen Menschenrechtsorganisationen als Beteiligung am Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit qualifiziert.

Die Diffamierungs- und Verleumdungskampagne gegen mich richtet sich nicht nur gegen mich persönlich, sondern ist auch ein Angriff auf ver.di und die erstarkende antirassistische und antifaschistische Bewegung in Deutschland selbst.

Weder der Polizeipräsident, noch MdB Matthias Hauer (CDU), noch OB Kufen haben es für notwendig gehalten, mit mir persönlich zu sprechen. Ihre Vorwürfe beziehen sich nicht auf die gehaltene Rede, sondern die Aussagen von Fatima Krumm, was ich angeblich gesagt hätte. Seitens der WAZ/NRZ wurde eine von mir am 11.6.20 übergebene Gegendarstellung weder abgedruckt noch bis heute beantwortet. Gegenüber der Journalistin Fatima Krumm hatte ich weiterhin ausdrücklich betont, dass „nicht die ganze Polizei in Deutschland rassistisch ist, auch nicht die ganze Polizei in den USA“. Die Berichterstattung von WAZ/NRZ erinnert an das Trumpsche Vorgehen, der gegen die berechtigten Proteste in den USA mit Diffamierungen und Unterstellungen vorgeht.

Es gibt keinerlei Anlass für mich, mich für die von mir vorgetragene Rede der ver.di Vertrauensleute und die von mir in dieser Erklärung nochmals wiedergegebenen Äußerungen zu entschuldigen, wie es in der WAZ/NRZ verlangt wird. Mit meiner Kritik stehe ich in Deutschland nicht allein – sie wird von Zehntausenden geteilt. Die ständige Betonung, es gäbe keinen strukturellen Rassismus, verhindert dessen restlose Aufdeckung und Abschaffung.

Ich erfahre große Solidarität und Rückhalt von den Kolleg*innen und Organisationen und möchte mich an dieser Stelle dafür bedanken!

Ich werde mich auch weiter gegen Rassismus und Polizeigewalt einsetzen und lasse mir keinen Maulkorb verpassen. Zu einem Gespräch oder einem unter Beachtung journalistischer Sorgfaltspflicht durchgeführtem Interview bin ich jederzeit bereit. Ich erwarte eine öffentliche Richtigstellung und Entschuldigung für die verfälschende und diffamierende Berichterstattung über mich durch die entsprechenden Personen.

Uschi Gerster

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